Wir möchten Sie in aller Kürze über dessen Inhalt und die sich hieraus ergebenden kurzfristigen Handlungsnotwendigkeiten informieren. Eine abschließende Analyse/Auswertung des Schreibens war bisher leider noch nicht möglich, insbesondere mit Blick auf die Komplexität der Materie und der Überschneidung zu verschiedenen zivil- und sozialrechtlichen Fragestellungen. Nach einer gründlichen Analyse und Auswertung des Inhalts des BMF-Schreibens werden wir selbstverständlich zeitnah und ausführlich über die Inhalte und die sich hieraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen bzw. Empfehlungen informieren.
Zum Inhalt:
Das BMF ordnet die Abgabe von Medikamenten im Rahmen einer ambulanten ärztlichen Heilbehandlung unter bestimmten Voraussetzungen (als eng verbundene Krankenhausleistung oder als unselbständige Nebenleistung zu einer umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistung) der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstaben a und b UStG zu.
Für Umsätze vor dem 1.1.2023 wird für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet (Nichtbeanstandungsregelung), wenn der Unternehmer seine Leistungen als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Wird die Abgabe der Medikamente im Rahmen einer ambulanten Behandlung bei einem steuerbegünstigten Krankenhausträger dem Zweckbetrieb nach § 67 AO zugeordnet, so kommt der ermäßigte Steuersatz i.H.v. derzeit 7 % gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG zur Anwendung, korrespondierend mit einem entsprechenden Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG.
Insbesondere diese – etwas überraschende – Nichtbeanstandungsregelung für Umsätze vor dem 1.1.2023 könnte für Krankenhausträger möglicherweise auch eine wirtschaftlich attraktive Wirkung haben. Dies bedarf allerdings noch einer abschließenden Analyse und müsste ggfs. auch für jeden Krankenhausträger individuell geprüft werden.
Im Hinblick auf eine Steuerentstehung nach § 14 c Abs. 1 UStG (ggf. Rechnungskorrektur) verweist das BMF in seinem Schreiben auf eine Billigkeitsregelung, die sich jedoch auf die Versicherten einer privaten Krankenkasse (PKV) bezieht. Einen Hinweis auf eine ggf. notwendige Korrektur gegenüber gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beinhaltet das BMF-Schreiben nicht.
Völlig unklar ist zudem, ob Selbstzahler/PKVen und GKVen die Krankenhausträger möglicherweise sogar „zwingen“ könnten, von der Nichtbeanstandungsregelung umfassenden Gebrauch zu machen, auch wenn dies faktisch zur rückwirkenden Anwendung der materiell-unrichtigen Besteuerung führen würde; insbesondere existiert hierzu bis dato keinerlei Rechtsprechung. Die bisherige Rechtsprechung hat sich primär mit der Pflicht zur Ausschöpfung einer Nichtbeanstandungsregelung zur Bewirkung der materiell-rechtlich zutreffenden Besteuerung befasst.
Aus unserer Sicht ergeben sich für die betroffenen steuerbegünstigten Steuerpflichtigen umgehend (sofort) insbesondere folgende Handlungsnotwendigkeiten:
- Zur Vermeidung von Schadensersatzforderungen durch die Krankenkassen sind zum einen die noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide mit einer umsatzsteuerpflichtigen Behandlung der in Rede stehenden Medikamentenlieferungen i.H.v. 19 % USt beziehungsweise einer umsatzsteuerfreien Behandlung (0 %) durch Einlegung eines Rechtsbehelfs offen zu halten, soweit sie z.B. nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen.
- Zum anderen sind die Abrechnungsdienstleister darauf hinzuweisen, dass von Ihnen ab dem 1.1.2023 in Ihren Abrechnungen bzw. Datensätzen -in den betroffenen Fällen- keine Umsatzsteuer mehr anzugeben ist, da ab diesem Zeitpunkt insoweit eine umsatzsteuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 14 Buchstaben a und b UStG vorliegt.
Hinsichtlich der ab dem 1.1.2023 für die ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln in Ansatz zu bringenden Vergütungen gegenüber GKVen empfehlen wir dringend die rechtliche Überprüfung der Vertragsgrundlagen gemäß § 129a SGB V. Bitte sprechen Sie bei Bedarf gerne unsere Kollegen der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hierauf an.
Über die weitere Entwicklung und die neu gewonnenen Erkenntnisse werden wir Sie zeitnah informieren. Bitte sprechen Sie uns bei Fragen jederzeit gerne an.