Nach dem BMF-Schreiben vom 22.02.2022 zur Nutzungsdauer von Computerhardware sowie Betriebs- und Anwendersoftware soll steuerlich eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von nur noch einem Jahr statt wie bisher von drei bzw. fünf Jahren angesetzt werden können.
Computerhardware sind u.a. die folgenden Wirtschaftsgüter:
- Computer: Notebook, Tablet, Slate, mobiler Thin-Client
- Station: Stationäre oder mobile Workstation, Dockingstation
- Eingabegeräte: Tastatur, Maus, Scanner, Kamera, Mikrofon, Headset
- Externe Speicher: Festplatte, DVD-/CD-Laufwerk, Flash Speicher, Streamer
- Ausgabegeräte: Beamer, Plotter, Monitor, Drucker
- Nicht: Mobiltelefone, in Konferenzräumen installierte Fernsehgeräte mit Internetanschluss, computergesteuerte Maschinen bzw. Fahrzeuge
Betriebs- und Anwendersoftware sind alle Programme zur Dateneingabe und Datenverarbeitung, wie bspw.:
- Standardanwendungen
- Individuelle Anwendungen wie ERP-Software, Software für Warenwirtschaftssysteme, zur Unternehmensverwaltung oder zur Prozesssteuerung
Entsprechend den Ausführungen des BMF unterliegen die betroffenen Wirtschaftsgüter der regelmäßigen Abschreibung i.S.d. § 7 Abs. 1 EStG. Es sind also die allgemeinen Grundsätze zur erfahrungsgemäß geschätzten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer bzw. die in der Praxis bisher verwendeten sog. AfA-Tabellen zu beachten.
Die Möglichkeit, eine kürzere – also die einjährige - betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu Grunde zu legen, stellt weder eine besondere Form der Abschreibung noch eine neue Abschreibungsmethode oder Sofortabschreibung dar. In diesem Zusammenhang konkretisiert das BMF auch, dass die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer – gem. Wortlaut mit „kann“ formuliert – nicht als ein steuerliches Wahlrecht i.S.d. § 5 Abs. 1 EStG zu verstehen ist. Dementsprechend kann der Steuerpflichtige vom Ansatz der einjährigen Nutzungsdauer auch abweichen oder sich für andere Abschreibungsmethoden entscheiden.
Die Abschreibung für die betroffenen Wirtschaftsgüter beginnt in jedem Fall erst im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung. Das BMF beanstandet es aber nicht, wenn die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen und somit vom Grundsatz der monatsgenauen Aufteilung abgesehen wird. Die betroffenen Wirtschaftsgüter sind zwingend in die für das Anlagevermögen zu führenden Bestandsverzeichnisse aufzunehmen.
Die Neuregelung können grundsätzlich alle Unternehmen für nach dem 31.12.2020 endende Wirtschaftsjahre beanspruchen. Darüber hinaus kann der im Veranlagungszeitraum 2021 noch bestehende Restbuchwert bereits zuvor angeschaffter oder hergestellter digitaler Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens voll abgeschrieben werden. Für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens gelten die neuen Regelungen ab dem Veranlagungszeitraum 2021. Eine zeitliche Befristung ist derzeit nicht vorgesehen.
Hinweise:
Das BMF überarbeitete mit seinem Schreiben vom 22.02.2022 das bisherige Schreiben vom 26.02.2021 und bemühte sich, die zunächst veröffentlichten Regelungen zur einjährigen Nutzungsdauer für Computerhardware und Software systemkonform einzuordnen. Aber auch das aktualisierte BMF-Schreiben rief Anschlussfragen und nicht unerhebliche Kritik hervor. Das BMF griff insbesondere die Änderungs- und Erläuterungsbitten im Zuge einer Eingabe der Spitzenorganisation der deutschen Wirtschaft vom 29.03.2022 auf und erläuterte in einem bisher nicht veröffentlichten Schreiben vom 26.04.2022 erneut seine Auffassung.
Unter der Berücksichtigung, dass insbesondere kosten- und implementierungsintensive ERP-Software regelmäßig länger als ein Jahr genutzt wird, widerspricht die Verminderung der Nutzungsdauer auf nur ein Jahr den gesetzlichen Regelungen zur erfahrungsgemäß geschätzten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 1 EStG. Zudem verbleibt es letztlich doch bei einem Wahlrecht - wenn auch nach BMF-Definition nicht i.S.d. § 5 Abs. 1 EStG - da von der einjährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zugunsten einer anderen Abschreibungsmethode abgewichen werden darf.
Weiterhin ist zu beachten, dass auch das aktualisierte BMF-Schreiben keine Bedeutung für die Handelsbilanz hat. Deshalb ist schon die grundsätzliche Frage umstritten, ob für die im BMF-Schreiben genannten Wirtschaftsgüter eine abweichende Nutzungsdauer in Handels- und Steuerbilanz rechtlich überhaupt möglich ist, Stichwort: Maßgeblichkeitsgrundsatz. Zudem führen entsprechende Buchwertdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften zur Berechnung von passiven latenten Steuern.
Insgesamt zeigt sich, dass die mit dem BMF-Schreiben vom 22.02.2022 getroffenen sog. untergesetzlichen Regelungen insbesondere für bilanzierende Unternehmen nicht praxistauglich sein dürften. Zudem steht das BMF-Schreiben in der Fachliteratur wegen etwaiger Verstöße gegen deutsches und EU-Recht zunehmend in der Kritik.