Aktuelle Veröffentlichung
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat am 8.3.2022 einen Fachlichen Hinweis mit dem Titel „Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung und deren Prüfung“, veröffentlicht1 und inzwischen, nämlich am 8. und 14.4.2022, bereits zwei Mal erweitert und aktualisiert.2 Nachdem wir Ihnen die handelsrechtlichen Aspekte bereits oben vorgestellten haben, geben wir nachfolgend einen Überblick über die wesentlichen Aussagen des IDW zur Rechnungslegung nach IFRS.
Stichtage vor Kriegsbeginn
Krieg gegen die Ukraine als nicht zu berücksichtigendes Ereignis nach dem Abschlussstichtag3
Der Krieg stellt für Abschlüsse auf Stichtage vor dem 24.2.2022, also bspw. dem 31.12.2021, ein nicht in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigendes Ereignis (non-adjusting event) dar. Es ist, analog zum handelsrechtlichen Kontext, auf den Tag des widerrechtlichen Übertritts der Grenzen des ukrainischen Staatsgebiets durch das russische Militär abzustellen. Eine Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag kann indes ein Hinweis darauf sein, dass überprüft werden muss, ob die Aufstellung des Abschlusses unter der Annahme der Unternehmensfortführung noch angemessen ist (IAS 10.15).
Angaben zu Ereignissen nach dem Bilanzstichtag4
Ist ein nicht zu berücksichtigendes Ereignis wesentlich, muss über dieses Ereignis gem. IAS 10.21 im Anhang berichtet werden. Anzugeben sind die Art des Ereignisses sowie eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen oder eine Aussage darüber, dass eine solche Schätzung nicht vorgenommen werden kann. Diese nach IAS 10.21(a) und (b) verlangten Informationen sind vergleichbar zu denen nach § 285 Nr. 33 HGB.
Angabepflichten bei wesentlichen Unsicherheiten bei der Beurteilung der going concern-Annahme5
Über bestehende wesentliche Unsicherheiten (material uncertainties), die sich auf Ereignisse oder Gegebenheiten beziehen, die erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen, ist nach IAS 1.25 zwingend zu berichten. Dabei verweist das IDW auf das Lehrmaterial (educational material) der IFRS Foundation vom 13.1.2021.6 In dem Lehrmaterial sind die Vorschriften des IAS 1, die für die Beurteilung der Annahme der Unternehmensfortführung einschlägig sind, zusammengetragen. Das Lehrmaterial ergänzt oder ändert nicht die Anforderungen in den Standards. Über mögliche Unsicherheiten ist eine transparente Berichterstattung erforderlich. Die IFRS Foundation betont daher, dass nicht nur die spezifischen Angabepflichten in Bezug auf die Unternehmensfortführung nach IAS 1.25 f. zu berücksichtigten sind, sondern auch die übergreifenden Angabepflichten gem. IAS 1 (u.a. IAS 1.122).
Stichtage nach Kriegsbeginn
Beherrschung nach IFRS 107
Das Vorliegen von Beherrschung ist im Einzelfall anhand der allg. Prinzipien des IFRS 10 zu würdigen. Daher können auch bei unmittelbarer Betroffenheit des Mutterunternehmens (z.B. aufgrund eines ukrainischen, russischen oder belarussischen Tochterunternehmens) keine pauschalen Aussagen getroffen werden, ob Beherrschung (noch) vorliegt.
Die Frage, ob bestehende Rechte nicht mehr substanziell i.S.d. IFRS 10 sind, ist anhand der in IFRS 10.B23 genannten Faktoren zu beurteilen. Der Verlust der Beherrschung und damit eine Entkonsolidierung vor dem Hintergrund absehbar vorübergehender Einschränkungen kommt nach Ansicht des IDW nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht.
Kapitalausfuhrbeschränkungen begründen für sich genommen keinen Verlust der Beherrschung; vielmehr sind die Implikationen hinsichtlich des (Nicht-)Vorliegens von Beherrschung zu beurteilen. Führen die aktuellen Umstände dazu, dass Gläubigerrechte, bspw. aufgrund bestehender covenants, erstarken, sind die Implikationen dieser „neuen“ Rechte mit Blick auf die fortgesetzte Beherrschung des betreffenden Beteiligungsunternehmens zu evaluieren (IFRS 10.B26 i.V.m. IFRS 10.8).
Die IFRS enthalten kein den Vorschriften des § 296 Abs. 1 HGB vergleichbares Vollkonsolidierungswahlrecht. Liegt Beherrschung weiterhin vor, ist das Beteiligungsunternehmen als Tochterunternehmen (weiterhin) vollzukonsolidieren; andernfalls besteht eine Pflicht zur Ent- bzw. Übergangskonsolidierung.
Werthaltigkeitsprüfung nach IAS 368
Für sämtliche Vermögenswerte, die in den Anwendungsbereich des IAS 36 fallen, ist eine Werthaltigkeitsprüfung durchzuführen, sofern zum Abschlussstichtag Anhaltspunkte (triggering events) für eine Wertminderung vorliegen (IAS 36.9). Dies gilt auch für Zwischenberichte (IAS 34.30(a)). Für den goodwill sowie für immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer und noch nicht zur Nutzung verfügbare immaterielle Vermögenswerte besteht zudem eine anlassunabhängige Verpflichtung zum jährlichen Test auf Wertminderung.
Das IDW sieht insbes. bei unmittelbarer, aber auch bei mittelbarer Betroffenheit vom Ukraine-Krieg eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines oder mehrerer Anhaltspunkte für eine Wertminderung.
Anhaltspunkte können bspw. sein:
- Signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen im technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld;
- substanzielle Hinweise für eine Überalterung, Diebstahl, Beschlagnahmung oder physische Schäden von Vermögenswerten;
- unternehmerische Entscheidung, signifikante Veränderungen vorzunehmen;
- Buchwert des Nettovermögens übersteigt die Marktkapitalisierung infolge der jüngsten Börsenrückgänge.
Zur Ermittlung des Nutzungswerts (value in use) empfiehlt das IDW, auf den sog. expected cash flow approach abzustellen (IAS 36.A2, .A4 ff.). Dies wird damit begründet, dass durch die erforderliche Modellierung von verschiedenen Szenarien und der Zuordnung von Eintrittswahrscheinlichkeiten zu diesen Szenarien die aus den Ereignissen in der Ukraine resultierende Unsicherheit transparent und nachvollziehbar abgebildet werden kann. Der zu verwendende Kapitalisierungszinssatz (Vorsteuer-Zinssatz) hat sich weiterhin an langfristigen Analysen von durchschnittlichen Marktrenditen und an einer Marktrisikoprämie, die aktuell am oberen Rand der Bandbreite historischer Prämien liegt, zu orientieren.9 Die erhöhte Unsicherheit aufgrund des Kriegs ist in der Planung zu berücksichtigen, nicht aber durch pauschal erhöhte Risikoprämien abzubilden. Die beschriebenen Aussagen und Empfehlungen sind grds. auch für die Bestimmung des fair value zu beachten, sofern dieser über ein DCF-Verfahren ermittelt wird.
Da sowohl Ausmaß und Dauer als auch Folgen des Ukraine-Kriegs schwer prognostizierbar sind, empfiehlt es sich umso mehr, die Annahmen und Schätzungen des Managements umfassend im Anhang zu erläutern und insbes. bei der Darstellung von Sensitivitätsanalysen auf die Auswirkungen des Krieges einzugehen (IAS 36.132, .134, IAS 1.125 ff.).
Finanzinstrumente10
a) Klassifizierung und Bewertung (ohne Wertminderung)
Durch den Krieg und die (gegenseitigen) Sanktionsmaßnahmen können sich für die Überlegungen zum Markt bei der Ermittlung des fair value nach IFRS 13 u.a. folgende Implikationen ergeben:
- Ableitung des fair value am Markt nach IFRS 13: Zu prüfen ist, ob aufgrund der gegenseitigen Sanktionen für zum fair value bewertete finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf dem entsprechenden Markt (Ukraine/Russland) geordnete Geschäftsvorfälle beobachtet werden können.
- Konsequenzen aus dem Zusammenspiel von Marktzugang und in-/aktiven Märkten für die Ermittlung des fair value: Sofern ein Unternehmen keinen Zugang mehr zu einem bisherigen Markt in der Ukraine, in Russland oder Belarus hat und auch kein alternativer Markt existiert, kann der Preis von einem solchen Markt (aktiv oder nicht aktiv) für die fair value-Ermittlung im Rahmen eines sachgerechten Bewertungsverfahrens verwendet werden. Jedoch sind Anpassungen i.S.v. IFRS 13 erforderlich.
- Anzuwendende Bewertungsverfahren/-methoden und Inputfaktoren aufgrund der aktuellen Marktsituation (Level 2 und Level 3): Derzeit kann es sich als schwierig erweisen, einen angemessenen Zinssatz für Abzinsungen zu ermitteln (z.B. für Rubel-Instrumente). Entsprechende Unsicherheiten sind in der Bewertung zu berücksichtigen.
b) Wertminderung
Die Kriegsauswirkungen müssen unternehmensindividuell beurteilt werden. Die Betroffenheit kann sich zum einen unmittelbar (z.B. aufgrund direkter Geschäftsbeziehungen in die Ukraine, nach Russland und/oder Belarus) ergeben. Zum anderen kann ein Unternehmen mittelbar von den Kriegsgeschehnissen betroffen sein (bspw. aus Problemen in der Lieferkette).
Bislang verwendete Wertberichtigungsquoten in einer Wertminderungsmatrix bei der Berechnung der erwarteten Kreditverluste im vereinfachten Wertminderungsmodell (simplified approach) sind auf Aktualität zu überprüfen. Es ist kritisch zu hinterfragen, ob Wertberichtigungstabellen, die auf gemeinsamen/homogenen Kreditrisikoeigenschaften basieren (z.B. geografische Regionen), in Bezug auf vom Krieg betroffene Forderungen noch zu verwenden sind oder ggf. eine gesonderte Betrachtung notwendig ist (IFRS 9.B5.5.35).
Aufgrund unterschiedlicher (Sanktions-)Maßnahmen und Gegebenheiten einschließlich deren rechtlicher Beurteilung dürfte es herausfordernd sein, einen Kreditausfall (default) für bestimmte Kreditexposures eindeutig festzustellen. Mangels konkreter Definition in IFRS 9 ist eine unternehmensindividuelle Festlegung notwendig. Es muss eine Erwartung hinsichtlich der Einbringlichkeit der vertraglichen Zahlungsströme auf Basis aller angemessenen und belastbaren Informationen gebildet werden; auf IDW RS HFA 48, Tz. 305 ff. wird verwiesen. Dabei ist es für das Wertminderungsmodell unbeachtlich, aus welchem Grund Zahlungsströme ausfallen. Eine besondere Bedeutung wird dem Transferrisiko zukommen.
Je nach Betroffenheit von den Kriegsgeschehen und eingeführten Sanktionen wird eine regionale und/oder branchenspezifische Betrachtung des Exposures notwendig sein. Wegen veränderter Risiken in den betroffenen Ländern kann eine geänderte Portfoliobetrachtung notwendig werden, z.B. wenn vor Kriegsausbruch die Ukraine zusammen mit anderen osteuropäischen Ländern einem Portfolio zugeordnet wurde und die Vermögenswerte des Portfolios aufgrund des Kriegs nicht länger gemeinsame/homogene Kreditrisikoeigenschaften (shared credit risk characteristics) i.S.v. IFRS 9.B5.5.5 aufweisen. Eine entsprechende Betrachtung ergibt sich auch bei der Beurteilung eines Stufentransfers, der nach IFRS 9.5.5.4 nicht nur auf der Ebene des einzelnen Exposures stattfinden kann, sondern auch auf kollektiver Ebene.
Bei der Ermittlung der erwarteten Kreditverluste sind neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch Auswirkungen auf die Werthaltigkeit von Sicherheiten zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn diese in einem Krisenland belegen oder durch Sanktionsmaßnahmen zugriffsbeschränkt sind. Bei Verträgen über Sicherheiten sind potenzielle force majeure-Klauseln zu beurteilen. Sind Finanzgarantien integraler Bestandteil eines finanziellen Vermögenswerts, sind auch deren Bedingungen mit Blick auf mögliche Ausschlüsse bzgl. kriegerischerer Auseinandersetzungen zu betrachten und entsprechend bei der Höhe der erwarteten Kreditverluste zu berücksichtigen.
Bei der Schätzung der erwarteten Zahlungsströme ist ein wesentliches Augenmerk auf die Szenario-Bildung zu legen. Hierbei spielt die Festlegung der relevanten Szenarien, deren Eintrittswahrscheinlichkeit, aber auch die Granularität hinsichtlich der Risikofaktoren eine entscheidende Rolle. Regionen- bzw. branchenspezifischen Aspekten kommt im Rahmen der Risikobetrachtung eine besondere Bedeutung zu.
Zur Berücksichtigung der genannten Aspekte kann die Verwendung von Post-Model Adjustments notwendig sein. Bei der Festlegung der Höhe von Post-Model Adjustments ist auf eine hinreichende Ursachenanalyse zu achten (zwecks Abgrenzung von noch bestehenden Corona-Pandemie-bedingten Adjustments). Bei Verwendung von Post-Model Adjustments ist entsprechende Transparenz hinsichtlich der Darstellung und der zur Verfügung gestellten Informationen nötig.
Neben Anpassungen in der Bewertung kann es auch zu einer Anpassung der vertraglichen Bedingungen (Modifikation) kommen. Zu differenzieren ist zwischen nicht-substanziellen Modifikationen und substanziellen Modifikationen (IDW RS HFA 48, Tz. A8 ff.). In jedem Fall ist vor Erfassung einer Modifikation die auf den finanziellen Vermögenswert entfallende Wertminderung/Risikovorsorge zu aktualisieren. Erfolgt eine Änderung des Vertrags aus bonitätsinduzierten Gründen, hat die Zuordnung zu Stufe 3 und die Erfassung einer Wertminderung Vorrang.
Wenn nach angemessener Einschätzung nicht davon auszugehen ist, dass ein finanzieller Vermögenswert ganz oder teilweise realisierbar ist, ist eine (Teil-)Ausbuchung (write-off) vorzunehmen (IFRS 9.5.4.4).
c) Hedge Accounting
Der Krieg in der Ukraine kann sich in vielfältiger Weise auf das Hedge Accounting auswirken. Betroffen sind sowohl die Möglichkeit zur Anwendung von als auch die Wirksamkeit von Sicherungsbeziehungen.
Das IDW listet eine Vielzahl von Einzelaspekten auf, wovon nachfolgend eine Auswahl dargestellt wird:
- Auswirkungen auf erwartete Transaktionen: Wird erwartet, dass eine künftige Transaktion nicht mehr mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten wird, es aber immer noch wahrscheinlich ist, dass sie eintritt, so ist die Sicherungsbeziehung aufzulösen (IFRS 9.6.5.6); die im OCI erfassten Beträge sind jedoch erst bei Eintritt in die GuV umzugliedern. Ist der Eintritt nicht mehr innerhalb einer angemessen spezifizierten und grds. engen Zeitspanne zu erwarten, ist die Sicherungsbeziehung GuV-wirksam aufzulösen (IFRS 9.6.5.6, IFRS 9.6.5.12(b), IFRS 9.B6.5.26, IFRS 9.B6.5.27(b)). Erfolgt der Eintritt (voraussichtlich) früher oder später innerhalb der spezifizierten Zeitspanne, können sich Auswirkungen auf die Effektivität ergeben.
- Rollierende Sicherungsstrategien: Voraussetzung für ein Vorrollen sind die Dokumentation der Sicherungsstrategie und die Bestimmung entsprechender Risikomanagementziele.
- Auswirkungen des Kreditausfallrisikos auf Sicherungsbeziehungen: Erhöhungen des Ausfallrisikos des Unternehmens oder der Gegenpartei infolge des Kriegs können die Effektivität der Sicherungsbeziehung beeinträchtigen oder sogar deren Anwendung infrage stellen (IDW RS HFA 48, Tz. 362).
- Fremdwährungs-Basisspreads: Gestiegene Volatilitäten können die Effektivität einer Sicherungsbeziehung beeinträchtigen, sofern diese Teil der Sicherungsbeziehung sind.
d) Ausweis und Angaben
Kann ein Unternehmen bestehende Kreditklauseln (covenants) zum Stichtag nicht einhalten, ist die Verbindlichkeit als kurzfristig auszuweisen, wenn das Unternehmen kein unbedingtes Recht (unconditional right) hat, die Erfüllung auf mindestens zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag zu verschieben (IAS 1.69(d)). Schulden, die wegen Verletzung bestimmter Bedingungen (breach of covenants) auf erste Anforderung zu zahlen oder kurzfristig kündbar sind, sind nur dann nicht als kurzfristig auszuweisen, wenn der Gläubiger spätestens bis zum Abschlussstichtag den Verzicht auf sein Anforderungs- bzw. Kündigungsrecht erklärt hat (IAS 1.75).
Bei Zahlungsverzögerungen bzw. ‑ausfällen sowie Verstößen gegen covenants ergeben sich zahlreiche direkte Angabepflichten (u.a. IFRS 7.18 f., IAS 34.15B(i); siehe auch IDW RS HFA 24, Tz. 20). Indirekte Angabepflichten können sich aufgrund von Liquiditätsrisiken ergeben (IFRS 7.31 ff.), ebenso zur Steuerung des Liquiditätsrisikos (IFRS 7.B11F(f) i.V.m. IFRS 7.39(c)). Auswirkungen auf das Liquiditätsrisiko sind auch dann anzugeben, wenn kein Bruch eingetreten ist, aber potenziell die Zahlungszeitpunkte beeinflusst sind (IFRS 7.39(a) und (b)).
Für regulierte Branchen ergeben sich ggf. Auswirkungen insbes. auf die Angaben zu Mindestkapitalanforderungen (IAS 1.134 ff.).
Verfügungsbeschränkungen bei Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten11
Durch Sanktionen oder andere rechtliche Maßnahmen (z.B. Ausschluss aus dem SWIFT-System) können sich Auswirkungen auf die Klassifikation von Kassen- und Bankbeständen als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente ergeben. Zu würdigen ist, ob eine Restriktion so weitreichend ist, dass sie einer Einbeziehung in die Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente entgegensteht. Bei einer Klassifikation als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente können Angabepflichten aus IAS 7.48 resultieren (Betrag und Erläuterung der Art der Restriktion).
Rückstellungen12
Führt der Ukraine-Krieg zu negativen Entwicklungen beim Unternehmen, ist zunächst nach IAS 36 zu beurteilen, ob für die betreffenden Vermögenswerte eine Wertminderung zu erfassen ist (IAS 37.69). Anschließend ist nach IAS 37 zu prüfen, ob der Vertrag belastend (onerous) ist bzw. wird, d.h., ob eine Drohverlustrückstellung anzusetzen ist (IAS 37.66).
Die Vorschriften zum Ansatz von Drohverlustrückstellungen gelten für alle Verträge, unabhängig von ihrer Laufzeit. Besondere Relevanz sieht das IDW bei längerfristigen Verträgen („Dauerschuldverhältnisse“). Bei Absatzverträgen sind neben der Beurteilung nach IAS 37 auch die Auswirkungen auf die Bemessung der Umsatzerlöse gem. IFRS 15 zu beurteilen (z.B., wenn Vertragsstrafen drohen).
Bei der Beurteilung der Verträge nach IAS 37 sind aufgrund der besonderen Situation v.a. auch etwaige Klauseln zu Ausnahmesituationen (z.B. force majeure-Klauseln) und die damit verbundenen Rechte und Pflichten im Einzelfall zu würdigen. Zudem ist zu berücksichtigen, inwieweit vertragliche Regelungen im konkreten Einzelfall tatsächlich greifen bzw. durchsetzbar sind (z.B. angesichts von Embargos oder der Zerstörung oder der Insolvenz von Geschäftspartnern).
In den folgenden Fällen sind hingegen keine Rückstellungen anzusetzen:
- Erwartungen für künftige wirtschaftliche Nachteile, die sich noch nicht in vertraglichen Verpflichtungen konkretisiert haben (z.B. Verlusterwartungen aufgrund zwischenzeitlicher Preisänderungen) (IAS 37.63 ff.).
- Wenn Personal vom Unternehmen unter Lohn-/Gehaltsfortzahlung freigestellt wird und zeitweise keine Arbeitsleistungen erbringt (z.B. aufgrund temporärer Schließungen von (Produktions-)Standorten).
In den genannten Fällen wäre hingegen ggf. ein Test auf Werthaltigkeit nach IAS 36 für diejenigen Vermögenswerte durchzuführen, die i.V.m. den jeweiligen wirtschaftlichen Nachteilen stehen (IAS 36.9; IAS 36.12).
Fremdwährungsumrechnung13
Insbes. die Restriktionen gegen die russische Zentralbank werden voraussichtlich die Fähigkeit Russlands einschränken, den Wechselkurs des Rubels zu stabilisieren, und könnten sich auf die Fähigkeit Russlands auswirken, Rubel in andere Währungen zu tauschen.
Sollte der Umtausch des russischen Rubels (bzw. der ukrainischen Hrywnja oder des belarussischen Rubels) vorübergehend zum Datum des Geschäftsvorfalls oder einem nachfolgenden Abschlussstichtag ausgesetzt sein, ist vom Unternehmen der Kurs zu verwenden, der am ersten darauffolgenden Tag gilt, an dem ein Umtausch wieder möglich ist (IAS 21.26). Dies kann Anhangangabepflichten nach IFRS 12.20 und IFRS 12.22 sowie nach IAS 1.117-124 und IAS 1.125-133 auslösen.
Da IAS 36.54 für die Berechnung des Nutzungswerts vorsieht, künftige cash flows in der Währung zu schätzen, in der sie generiert werden, können sich darüber hinaus durch die Volatilität der Wechselkurse Auswirkungen auf nicht monetäre Posten hinsichtlich potenzieller Wertminderungen ergeben.
Bei der Umrechnung eines ausländischen Geschäftsbetriebs, dessen funktionale Währung (z.B. Rubel oder Hrywnja) nicht mit der Berichtswährung des Mutterunternehmens (z.B. EUR) übereinstimmt und auch nicht hyperinflationär i.S.d. IAS 29 ist, ist analog zur unterjährigen Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften zu prüfen, ob die zur Verfügung stehenden Wechselkurse die Anforderungen des IAS 21 erfüllen. Der für die Umrechnung verwendete Kurs sowie die Auswirkungen des Kurses sollten im Anhang erläutert werden.
Darstellung und Anhangangaben14
Auch in Ausnahmesituation wie dem Ukraine-Krieg sind die Regelungen des IAS 1 beachtlich. Dies gilt insbes. auch für ggf. geplante „Sonderausweise“. Qualitative und quantitative Informationen über signifikante Effekte der Kriegsgeschehnisse sowie die Methoden zu deren Bestimmung sollten ein klares und unverzerrtes Bild der betroffenen Bereiche vermitteln. Die Angaben dürfen als Teil der Erläuterungen zu den in der Gewinn- und Verlustrechnung (profit or loss) dargestellten und ausgewiesenen Beträgen in einer separaten Anhangangabe (single note) gemacht werden oder mittels klarer und eindeutiger Querverweise zwischen den betroffenen Abschnitten/Posten innerhalb des Anhangs vorgenommen werden.
Zu den anlässlich des Ukraine-Kriegs insbes. in Erwägung zu ziehenden Angaben, die das IDW auflistet, gehören u.a. Angaben:
- über bestehende wesentliche Unsicherheiten (material uncertainties), die sich auf Ereignisse oder Gegebenheiten beziehen, die erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen;
- zu Ermessensentscheidungen gem. IAS 1.122 sowie wesentlichen Schätzunsicherheiten gem. IAS 1.125;
- zu wesentlichen Ertrags- oder Aufwandsposten gem. IAS 1.97;
- zu wesentlichen Umsatzerlösen und langfristigen Vermögenswerten mit bzw. in einem Drittland gem. IFRS 8.33; das IDW empfiehlt hier mit Verweis auf die nicht vorhandene Definition von „Wesentlichkeit“ bzw. „Signifikanz“ in IFRS 8 eine freiwillige Angabe auch geringerer Beträge bei Betroffenheit (Russland, Belarus, Ukraine);
- zu sonstigen Aspekten, z.B. Zuwendungen der öffentlichen Hand (IAS 20.39) oder auch Angaben zu Planvermögenswerten mit einer nach Ansicht des IDW möglicherweise erhöhten Disaggregation als üblich (d.h. auf Ebene der betroffenen Länder) (IAS 19.138 i.V.m. IAS 19.136(a)).
Zudem geht das IDW auf erforderliche Angaben in einem verkürzten Zwischenabschluss nach IAS 34 ein. Betroffen sind die Angaben zu „erheblichen Ereignissen und Geschäftsvorfällen“ (IAS 34.15-15C) sowie die „weiteren Angaben“ (IAS 34.16A).
1 Siehe IDW Life 2022, S. 394 ff.
2 Siehe https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/update-des-fachlichen-hinweises-zu-den-auswirkungen-des-ukraine-krieges/135406 und https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/fachlicher-hinweis-zu-den-auswirkungen-des-ukraine-krieges--2--update/135492.
3 Frage 2.1. des Fachlichen Hinweises des IDW.
4 Frage 2.2. des Fachlichen Hinweises des IDW.
5 Frage 2.5. des Fachlichen Hinweises des IDW.
6 Siehe IFRS Foundation, Going concern - a focus on disclosure, 13.1.2021, https://www.ifrs.org/news-and-events/news/2021/01/ifrs-foundation-publishes-edu-material-to-support-companies-in-applying-going-concern-requirements/.
7 Fragen 4.1.1. und 4.1.2. des Fachlichen Hinweises.
8 Fragen 4.2.1. bis 4.2.4. des Fachlichen Hinweises des IDW.
9 Siehe dazu IDW, FAUB Kapitalkostenempfehlung vom 25.10.2019, https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/neue-kapitalkostenempfehlungen-des-faub/120158.
10 Fragen 4.3.1.1. bis 4.3.4.2. des Fachlichen Hinweises des IDW.
11 Frage 4.4.1. des Fachlichen Hinweises des IDW.
12 Frage 4.5.1. des Fachlichen Hinweises des IDW.
13 Fragen 4.6.1. und 4.6.2. des Fachlichen Hinweises des IDW.
14 Fragen 4.7.1. bis 4.7.3. des Fachlichen Hinweises des IDW.
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