Welche Chancen bietet die Omnibus-Richtlinie?

Welche Chancen bietet die Omnibus-Richtlinie?

Für viele Unternehmen bringen die jüngsten Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur Omnibus-Richtlinie Entlastungen, aber auch neue Unsicherheiten mit sich: Sie sind künftig möglicherweise von dieser Pflicht befreit oder erhalten verlängerte Fristen. Zudem sollen die ESRS-Datenpunkte signifikant gekürzt und Leitlinien für die Prüfung anstelle der geplanten Prüfungsstandards entwickelt werden.  

Damit verbunden sind sowohl Herausforderungen als auch Chancen für Unternehmen, die bereits in die Vorbereitung von Nachhaltigkeitsmanagement und Berichterstattung investiert haben. Entscheidend ist: Durch die Omnibus-Richtlinie sind diese Bemühungen keinesfalls obsolet, denn sie generieren über die reine Compliance hinaus langfristigen Mehrwert für Unternehmen. Wie dies gelingt, lesen Sie im Folgenden.  
 

Die Omnibus-Richtlinie: Ein Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Die Europäische Kommission kündigte am 26. Februar 2025 die Omnibus-Richtlinie an. Diese dient dem Ziel, bürokratische Lasten zu reduzieren und gleichzeitig das Engagement für Nachhaltigkeitsziele aufrechtzuerhalten. Die Initiative betrifft insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung. 

Zu den wesentlichen Modifikationen gehört die Anhebung der Berichtsschwellen auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zudem erfolgt eine Verlängerung der Umsetzungsfrist um weitere zwei Jahre zu Geschäftsjahren beginnend mit dem 1. Januar 2027. 

Eine Zusammenfassung der vorgestellten Richtlinienentwürfe finden Sie in diesem Insight.

Viele Unternehmen, die nach den bisherigen CSRD Vorgaben berichtspflichtig gewesen wären, sind bereits intensiv in die Vorbereitungen eingestiegen. Sie haben mit dem ersten Schritt der Wesentlichkeitsanalyse ein wertvolles strategisches Fundament geschaffen, das weit über die Berichtspflichten hinausgeht. Die Wesentlichkeitsanalyse dient als Grundstein jeder umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie und liefert entscheidende Einblicke in Stakeholder-Erwartungen, ökologische und soziale Geschäftsauswirkungen sowie Risiken und Chancen, die unabhängig von Berichtspflichten für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens relevant bleiben. Die Unternehmen, die diese Basis als wesentliches Steuerungsinstrument begreifen, das bessere Entscheidungsfindung sowohl in strategischen als auch in operativen Bereichen ermöglicht, generieren einen entscheidenden Mehrwert für ihre Organisation.

Der Voluntary SME Standard (VSME), entwickelt von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), bietet einen vereinfachten und standardisierten Ansatz, der speziell für kleine und mittlere Unternehmen konzipiert wurde, die ihre Nachhaltigkeitsperformance kommunizieren möchten.

Durch die Annahme dieses freiwilligen Standards können Unternehmen effizient auf Stakeholder-Anforderungen aus der Wertschöpfungskette reagieren und gleichzeitig die Kontrolle über ihre Nachhaltigkeitsdarstellung behalten.

Die standardisierte Natur der VSME-Berichterstattung schafft verschiedenste Vorteile: Sie vereinfacht den Berichtsprozess durch klare Leitlinien, die auf kleinere Organisationen zugeschnitten sind. Sie schafft Vergleichbarkeit innerhalb von Industriesektoren und ermöglicht es Unternehmen sich mit ihrer Leistung gegen über anderen Marktteilnehmern zu differenzieren. Darüber hinaus hilft sie, doppelte oder inkonsistente Informationsanfragen von verschiedenen Stakeholdern zu vermeiden, indem ein anerkanntes Berichtsformat etabliert wird. Dieser Ansatz ermöglicht es Organisationen, ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte effizienter zu dokumentieren und gleichzeitig die Belastung durch Ad-hoc-Fragebögen und Informationsanfragen zu vermeiden.

Für Organisationen, die Nachhaltigkeitsmetriken, Konzepte, Ziele und Maßnahmen in Vorbereitung auf die CSRD-Compliance entwickelt haben, bilden diese Elemente eine wertvolle Grundlage zur Verbesserung der Leistung in ESG-Ratings wie EcoVadis. Diese Ratings sind in Geschäftsbeziehungen zunehmend wichtiger geworden, besonders für Unternehmen, die in internationalen Lieferketten eingeflochten sind oder Zugang zu nachhaltiger Finanzierung suchen.

EcoVadis und ähnliche Ratings bewerten die Unternehmensleistung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance und beurteilen die nicht-finanziellen Managementsysteme von Unternehmen. Ein starkes Rating in diesen Systemen kann die Position eines Unternehmens bei der Suche nach Geschäftspartnerschaften oder Investitionen erheblich verbessern. Die umfassende Natur dieser Bewertungen bedeutet, dass ein Großteil der für die CSRD-Vorbereitung geleisteten Arbeit direkt zu verbesserten Rating-Ergebnissen führt.

Der strukturierte Ansatz zum Nachhaltigkeitsmanagement, der für die CSRD-Compliance entwickelt wurde – einschließlich Leistungskennzahlen (etwa die Treibhausgasbilanzierung), Managementsystemen und Verbesserungszielen – liefert die Nachweise, die Rating-Organisationen bei ihren Bewertungen suchen. Durch die kontinuierliche Implementierung und Verfeinerung dieser Systeme können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsperformance optimieren und dadurch Risiken im Bereich Energieeinsatz, Rohstoffgewinnung oder Lieferantenbeziehungen mitigieren. Dieser Ansatz transformiert regulatorische Vorbereitungsarbeit in einen strategischen Vorteil, der Geschäftsbeziehungen und Marktpositionierung verbessert. 

Fazit 

Die Omnibus-Richtlinie markiert keinen Rückschritt in der Nachhaltigkeitsagenda, sondern bietet Unternehmen die strategische Chance, von reiner Compliance zur wertorientierten Nachhaltigkeitsgestaltung überzugehen. Bereits getätigte Investitionen in Wesentlichkeitsanalysen und Nachhaltigkeitsstrukturen erweisen sich als wertvolles Fundament für zukunftsorientierte Unternehmensstrategien, während die gewonnene zeitliche Flexibilität eine tiefgreifendere, an den eigenen Geschäftsprioritäten ausgerichtete Umsetzung ermöglicht. Gerade im Kontext wachsender Lieferkettenanforderungen und der zunehmenden Bedeutung von ESG-Ratings können Unternehmen – insbesondere im Mittelstand durch den VSME-Standard – ihre Nachhaltigkeitsbemühungen nun gezielter einsetzen, um echte Wettbewerbsvorteile zu generieren und sich als verantwortungsvolle Marktakteure zu positionieren.