Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer sowohl am Tätigkeitsort wohnt als auch an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand unterhält. Eine doppelte Haushaltsführung wird regelmäßig gesondert durch das Finanzamt geprüft, da damit ein weiterer und in der Regel betragsmäßig nicht unerheblicher Werbungskostenabzug – insbesondere Unterkunftskosten oder Familienheimfahrten (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG) – ermöglicht wird. Voraussetzungen sind im Wesentlichen das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. Wie dieses letztere Tatbestandsmerkmal auszulegen ist, hat der BFH in seinem Urteil vom 12.01.2023 (Az. VI R 39/19) geklärt.
Im Streitfall unterhielt ein Arbeitnehmer eine angemietete Wohnung in der Nähe seines Tätigkeitsorts. Zudem bewohnte er gemeinsam mit seinem Bruder eine Wohnung im Obergeschoss seines Elternhauses außerhalb des Tätigkeitsorts, die von den im Erdgeschoss lebenden Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden war. Die beiden Wohneinheiten waren baulich nicht voneinander getrennt, sondern über ein Treppenhaus vom Haupteingang des Hauses miteinander verbunden. Der Arbeitnehmer beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies aber im Dezember des Streitjahres einen Betrag i.H.v. EUR 1.200 mit dem Verwendungszweck „Nebenkosten/Telekommunikation“ sowie einen Betrag i.H.v. EUR 550 mit dem Verwendungszweck „Anteil neue Fenster in 2015“ an seine Eltern und erwarb unterjährig Lebensmittel i.H.v. rd. EUR 1.400. Die im Rahmen der Einkommensteuererklärung beantragte beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung mit Aufwendungen i.H.v. rd. EUR 8.000 wies das Finanzamt indes zurück, da eine ausreichende finanzielle Beteiligung am gemeinsamen Haushalt der Eltern und Brüder nicht nachgewiesen worden sei. Dies sahen sowohl das erstinstanzliche Finanzgericht als auch der BFH anders.
Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige eine den Lebensmittelpunkt bildende Wohnung dann inne, wenn er diese aus eigenem Recht – beispielsweise als Eigentümer oder Mieter – nutzt. Ausreichend kann aber auch ein abgeleitetes Recht im Sinne einer geschützten Rechtsposition sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ehepartner, Lebensgefährte oder ein sonstiger Familienangehöriger - wie vorliegend die Eltern des Steuerpflichtigen - Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist und diese dem Steuerpflichtigen zur (unentgeltlichen) Nutzung überlässt. Entscheidend für das Kriterium des Lebensmittelpunkts ist stets, dass sich der Steuerpflichtige in der betreffenden Wohnung mit Ausnahme von arbeits- und urlaubsbedingten Abwesenheiten im Wesentlichen aufhält; das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte ist hingegen nicht ausreichend.
Der Steuerpflichtige muss des Weiteren als die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil anzusehen sein. Er darf also nicht lediglich in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es oft bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen regelmäßig davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als „eigener“ zugerechnet werden kann.
Das Vorliegen eines eigenen Hausstands erfordert des Weiteren eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. Hierzu zählen insbesondere die Kosten, die für die Nutzung des Wohnraums aufgewendet werden müssen bzw. die durch dessen Nutzung entstehen (z.B. Finanzierung, Miete, Betriebs- und sonstige Nebenkosten), sowie die sonstigen Kosten der Haushaltsführung in der Wohnung (z.B. Aufwendungen für Lebensmittel, Telekommunikation etc.). Nicht umfasst sind dagegen Aufwendungen für Kleidung, Urlaub, Freizeitgestaltung, Pkw und Gesundheitsvorsorge.
Bezüglich der Kostenbeteiligung sieht das Gesetz allerdings weder eine bestimmte betragsmäßige Grenze vor, noch dass es sich um eine laufende Beteiligung im Sinne einer mietgleichen Zahlung handeln muss. Der Steuerpflichtige kann sich daher auch durch Einmalzahlungen – einschließlich solcher am Jahresende – an den Kosten der Haushaltsführung finanziell beteiligen. Eine Haushaltsbeteiligung in sonstiger Form (z.B. durch die Übernahme von Arbeiten im Haushalt oder Dienstleistungen für den Haushalt) genügt insoweit jedoch nicht. Auch darf die finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen an den Kosten des (Haupt-)Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein. Hierzu dienen als Vergleichsmaßstab die im Jahr tatsächlich entstandenen Haushalts- und sonstigen Lebenshaltungskosten, die der Steuerpflichtige darzulegen und ggf. nachzuweisen hat. Regelmäßig in schwankender Höhe anfallende Kosten (wie insbesondere für Lebensmittel und sonstigen Haushaltsbedarf) können dagegen grundsätzlich unter Rückgriff auf statistische Erfahrungswerte geschätzt werden.
Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze waren im Streitfall sowohl das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung als auch eine ausreichende finanzielle Beteiligung des Arbeitnehmers an der gemeinsamen Haushaltsführung zu bejahen.
Hinweis:
Abweichend vom BFH-Urteil soll das Erfordernis der finanziellen Beteiligung nach Auffassung der Finanzverwaltung erst bei Überschreiten einer Bagatellgrenze erfüllt sein. Danach müssten die Barleistungen des Arbeitnehmers mehr als 10 % der monatlich anfallenden laufenden Kosten der Haushaltsführung ausmachen. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung der vereinfachenden Rechtsauffassung des BFH anschließen wird.