Teilentgeltliche Übertragung von Immobilien

Kein privates Veräußerungsgeschäft bei teilentgeltlicher Übertragung von Immobilien unterhalb der historischen Anschaffungskosten

Ein privates Veräußerungsgeschäft (früher "Spekulationsgeschäft") im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG liegt dann vor, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung eines Wirtschaftsgutes im Privatvermögen nicht mehr als die jeweils maßgebende Veräußerungsfrist – bspw. 10 Jahre bei Immobilien - beträgt. Das private Veräußerungsgeschäft setzt mithin sowohl eine entgeltliche Anschaffung als auch eine entgeltliche Veräußerung an einen Dritten voraus. Unentgeltliche Vorgänge stellen hingegen weder Anschaffungen noch Veräußerungen dar. Einen speziellen, aber in der Praxis durchaus häufigeren Fall entschied das Niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 29.05.2024 (Az. 3 K 36/24). 

Im Streitfall hatte der Vater ein bebautes Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge innerhalb der Zehnjahresfrist auf seine Tochter übertragen. Der aktuelle Verkehrswert lag mit EUR 210.000 über den ursprünglichen Anschaffungskosten von EUR 143.950. Das Grundstück war zum Übertragungszeitpunkt mit einem Bankdarlehen von EUR 115.000 belastet. Die Tochter übernahm dabei die Verpflichtung zur Darlehenstilgung, sodass das Finanzamt die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft als erfüllt erachtete. Da das Darlehen von EUR 115.000 unterhalb des Verkehrswerts des Grundstücks lag, war hier eine lediglich teilentgeltliche Übertragung gegeben. Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns teilte das Finanzamt die Übertragung also in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Anteil im Verhältnis des Verkehrswerts der Immobilie zur übernommenen Darlehensverbindlichkeit. Die tatsächlichen Anschaffungskosten des Vaters ließ es dabei außer Betracht. Die gegen die Besteuerung eines so ermittelten Veräußerungsgewinnes erhobene Klage hatte Erfolg.

Das Berechnungsschema des Finanzamtes entspricht nicht dem Zweck des § 23 EStG, den „realisierten Wertzuwachs“ aus kurzfristigen Umsatzgeschäften von Immobilien im Privatvermögen der Besteuerung zu unterwerfen. Nach Ansicht des Gerichts kann es bei teilentgeltlichen Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten wie im Streitfall - zu keinem "realisierten Wertzuwachs" kommen. Zudem entsteht durch das Vorgehen des Finanzamtes eine Doppelbesteuerung dieses Sachverhaltes einerseits mit der Einkommensteuer und andererseits mit der Schenkungssteuer. Selbst wenn die maßgeblichen Freibeträge nach dem ErbStG noch nicht ausgeschöpft gewesen wären, könnte der steuerliche Nachteil, nämlich die Doppelbesteuerung, durch weitere Schenkungen des Vaters oder einen Erbfall entstehen.

Mangels eines tatsächlichen Überschusses besteht auch kein Anlass, den einheitlichen Übertragungsvertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil anhand des Verkehrswertes aufzuteilen. Durch die Berechnungsmethode des Finanzamtes ergibt sich für den klagenden Vater ein lediglich fiktiver Veräußerungsgewinn. Denn in der Tat war die Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Saldo mit EUR 28.950 lastenfrei; das Vermögen des Vaters hat sich aufgrund der im Vergleich zum Restdarlehen höheren ursprünglichen Anschaffungskosten durch die Übertragung sogar vermindert. Damit ist der Vater durch die Übertragung auf seine Tochter nicht leistungsfähiger geworden. Das Grundgesetz gebietet es hingegen, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Die Besteuerung eines rein fiktives Ertrages durch Heranziehung des Verkehrswertes anstatt der tatsächlichen Anschaffungskosten entspräche nach Auffassung des Gerichts demnach nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz und wäre somit nicht verfassungskonform. Der Rückgriff auf den Verkehrswert für die Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz steht dem aufgrund der im vorgenannten Gesetz enthaltenen Spezialregelung in Bezug auf das Bewertungsgesetz und der Notwendigkeit der Belastungsgleichheit nicht entgegen.

Hinweis:

Eine BFH-Entscheidung, ob bei teilentgeltlichen Übertragungen durch die Heranziehung von Verkehrswerten auf den Zeitpunkt der Übertragung lediglich fiktive, aber nicht tatsächlich realisierte Überschüsse, im Rahmen des § 23 EStG der Besteuerung unterliegen, existiert derzeit nicht. Das Finanzamt hat daher die zugelassene Revision eingelegt, welche aktuell unter dem Az. IX R 17/24 anhängig ist. In entsprechenden Fällen sollte mittels Rechtsbehelf gegen die Festsetzung eines Gewinnes aus dem privaten Veräußerungsgeschäft vorgegangen werden.