„Verantwortung für Deutschland“ - Einigung auf Koalitionsvertrag durch CDU/CSU und SPD

„Verantwortung für Deutschland“ - Einigung auf Koalitionsvertrag durch CDU/CSU und SPD

Die Verhandlungspartnerinnen und -partner der voraussichtlichen Regierungsparteien, CDU/CSU und SPD, haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser ist allerdings noch von den jeweiligen Parteien zu genehmigen, was für Ende April vorgesehen ist.

Die Koalitionäre sehen Wachstum und Zusammenhalt als Leitlinien ihrer Haushalts- und Finanzpolitik. Sie wollen Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit stärken und zugleich äußere, innere und soziale Sicherheit garantieren. Steuerlich sollen sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen entlastet werden, damit sich Leistung wieder lohne. Niedrigere Steuern und Beiträge sollen zudem für höhere Löhne, mehr Arbeitsplätze, stärkeres Wachstum und sichere Sozialsysteme sorgen.

Festzuhalten ist aber auch die bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages ausdrücklich getroffene Aussage, dass alle entlastenden Maßnahmen unter dem Kriterium der Finanzier- und Bezahlbarkeit stehen. Dies zeigt, dass es sich bei den nun „vereinbarten“ Maßnahmen um politische Zielsetzungen und Leitlinien handelt, deren Umsetzung erst die Zukunft zeigen wird. Dennoch dürfte vom erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen ein positives Signal ausgehen.

Wir stellen die wesentlichen geplanten steuerlichen Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag im Überblick vor.


Steuern für Unternehmen

Mit einem sog. „Investitions-Booster“ sollen steuerliche Investitionsanreize gesetzt werden. Dieser soll in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 % für die Jahre 2025, 2026 und 2027 eingeführt werden. Bisher beträgt der Eingangssatz der degressiven Abschreibung 20 %.

Nach dem Ablauf dieser vorübergehenden Maßnahme soll ab 2028 auch die Körperschaftsteuer von derzeit 15 % in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt werden. Entsprechend sollen für Personengesellschaften das Optionsmodell (§ 1a KStG) und die Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) wesentlich verbessert werden. Eine neue Idee besteht darin, zu prüfen, ob ab 2027 der Anwendungsbereich der Körperschaftsteuer auf gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig ihrer Rechtsform erweitert werden kann.

Für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge soll eine Sonderabschreibung eingeführt werden. Die steuerliche Förderung von E-Fahrzeugen als Dienstwagen soll zudem einem größeren Kreis zugutekommen. Dazu soll die maßgebliche Bruttopreisgrenze auf EUR 100.000 erhöht werden. Zur Förderung der umweltfreundlichen E-Mobilität sollen Elektroautos ferner allgemein bis zum Jahr 2035 von der Kfz-Steuer befreit sein.

Scheinsitzverlegungen in sog. Gewerbesteuer-Oasen soll mit allen zur Verfügung stehenden administrativen Maßnahmen wirksam begegnet werden. Zur Verminderung des Wettbewerbs zwischen inländischen Standorten soll deshalb zunächst der Gewerbesteuer-Mindesthebesatz von 200 % auf 280 % erhöht werden.

An der globalen Mindeststeuer für große Konzerne soll im Grundsatz festgehalten werden. Allerdings sollen einerseits die Arbeiten auf internationaler Ebene für eine dauerhafte Vereinfachung der Mindeststeuer unterstützt werden. Andererseits sollen die Auswirkungen auf die globale Steuerarchitektur durch internationale Divergenzen beobachtet werden. Gleichzeitig wollen sich die Koalitionsparteien auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass daraus keine Benachteiligung deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb resultiert. Wirtschaftskreise halten das Festhalten an der Mindeststeuer angesichts der internationalen Entwicklung bereits für bedauerlich. Denn sie sei ein Bürokratie-Monster für die betroffenen Unternehmen, und bringe dem deutschen Fiskus keine finanziellen Vorteile.

Die Koalition will Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Strompreisen dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde entlasten. Dazu soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt und Umlagen und Netzentgelte reduziert, letztere auch dauerhaft gedeckelt werden. Für energieintensive Unternehmen soll es einen Industriestrompreis geben.

Weitere im Koalitionsvertrag aufgeführte einzelne Maßnahmen:

  • Für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von über EUR 100.000 soll ab dem 01.01.2027 eine Registrierkassenpflicht eingeführt werden.
  • Auf die verpflichtende Ausgabe von Kassenbons soll verzichtet werden.
  • Bei der steuerlichen Forschungszulage sollen der Fördersatz und die Bemessungsgrundlage deutlich angehoben und das Verfahren vereinfacht werden.
  • Der Rechtsrahmen für den sog. steuerlichen Querverbund soll angepasst werden, um den Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge dauerhaft zu sichern.
  • Eine Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene soll unterstützt werden.


Einkommensteuer

Die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen soll zur Mitte der kommenden Legislatur gesenkt werden. Einzelheiten, wie bestimmte Maßnahmen, zeitlicher Rahmen und Größenordnungen sind jedoch noch nicht weiter ausgeführt.

Als steuerliche Anreize für Mehrarbeit sollen Überstundenzuschläge, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, umgehend steuerfrei gestellt werden. Ebenso soll eine Prämie steuerlich begünstigt werden, die Arbeitgeber zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf dauerhaft an Tarifverträgen orientierte Vollzeit zahlen.

Über eine sog. „Aktivrente“ sollen zusätzliche finanzielle Anreize auch für freiwilliges längeres Arbeiten geschaffen werden. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiter arbeitet, soll sein Gehalt bis zu EUR 2.000 im Monat steuerfrei erhalten. Geprüft werden sollen dabei insbesondere die Nichtanwendbarkeit der Regelung bei Renteneintritten unterhalb der Altersgrenze für die Regelaltersrente, die Beschränkung der Regelung auf Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und die Anwendung des Progressionsvorbehalts.

Zur unmittelbaren Entlastung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll die sog. Entfernungspauschale ab 2026 dauerhaft erhöht und vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen. Aktuell liegt die Pauschale für die ersten 20 Kilometer Wegstrecke von der Wohnung zum Arbeitsplatz bei 30 Cent pro Kilometer, erst ab dem 21. Kilometer können 38 Cent berücksichtigt werden.

Zur Reduzierung der Steuerbürokratie soll eine sog. Arbeitstagepauschale geprüft werden, in der Werbungskosten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusammengefasst werden können. Weitere Verbesserungen sollen durch Typisierungen, Vereinfachungen und Pauschalierungen erreicht werden, auch um die Akzeptanz des Steuersystems zu erhöhen. Damit einhergehend sollen einerseits die verpflichtend digitale Abgabe von Steuererklärungen, andererseits aber auch vorausgefüllte und automatisierte Steuererklärungen für einfache Steuerfälle schrittweise ausgeweitet werden. Insbesondere soll die Besteuerung von Rentnerinnen und Rentnern vereinfacht und diese von Erklärungspflichten so weit wie möglich generell entlastet werden.

Zur Stärkung des Ehrenamts soll die Übungsleiterpauschale von bisher EUR 3.000 auf EUR 3.300 und die Ehrenamtspauschale von EUR 840 auf EUR 960 angehoben werden.
Die Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld soll schrittweise verringert werden. Durch eine gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt. Die finanzielle Situation von Alleinerziehenden soll durch Anhebung oder Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags verbessert werden.


Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuersatz für Speisen in der Gastronomie soll zum 01.01.2026 dauerhaft auf 7 % reduziert werden. Der einmalig damit verbundene Umstellungsaufwand dürfte sich angesichts der bisherigen Erfahrungen in Grenzen halten.

Sachspenden an gemeinnützige Organisationen sollen möglichst weitgehend umsatzsteuerbefreit sein.

Die Einfuhrumsatzsteuer soll mittelfristig unter Anwendung eines Verrechnungsmodells erhoben werden.


Gemeinnützigkeit

Die Freigrenze für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gemeinnütziger Vereine soll auf EUR 50.000 erhöht werden. 

Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke soll modernisiert und das Gemeinnützigkeitsrecht vereinfacht werden. Gemeinnützige Organisationen mit Einnahmen bis EUR 100.000 EUR sollen vom Erfordernis einer zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen werden. Erzielen gemeinnützige Körperschaften aus wirtschaftlichen Tätigkeiten weniger als EUR 50.000 EUR Einnahmen im Jahr, soll keine Sphärenaufteilung mehr erfolgen, ob diese Einnahmen aus einem Zweckbetrieb oder aus einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stammen.


Weitere Vorhaben bei Steuern und Wirtschaft

Folgende steuerliche Maßnahmen werden im Koalitionsvertrag ebenfalls erwähnt:

  • Der Solidaritätszuschlag soll unverändert bestehen bleiben.
  • Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung soll verschärft und dazu z.B. bei der Bekämpfung von „Cum-Cum-Geschäften“ weitere Maßnahmen eingeführt werden.
  • Die Regulierung von Kryptowerten, des Grauen Kapitalmarkts und der Schattenbanken sollen auf Lücken überprüft und diese ggf. geschlossen werden. Mit einer Ausweitung der gesetzlichen Regulierung, namentlich bei Kryptowerten, ist deshalb zu rechnen.
  • Im Zuge einer Reform der Riesterrente soll diese in ein neues Vorsorgeprodukt überführt, von bürokratischen Hemmnissen befreit, der Kreis der Förderberechtigten ausgeweitet und mit einer möglichst einfachen staatlichen Förderung Bezieherinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen begleitet werden.
  • Die Kosten für energetische Sanierungen geerbter Immobilien sollen künftig von der Einkommensteuer absetzbar sein.
  • Um eine adäquate Mitwirkung der Zivilgesellschaft auch in der Wirtschaft zu fördern, soll es steuerliche Anreize für Mitgliedschaften in Gewerkschaften geben.
  • Betreffend des von der Wirtschaft geforderten substanziellen Rückbaus von Bürokratie in der EU begrüßen die Koalitionspartner die kürzlichen Ankündigungen und Omnibus-Vorschläge der EU-Kommission u.a. zur Vereinfachung von CSR-Richtlinie und Lieferkettenrichtlinie. Diese Deutlichkeit im Vertrag wird positiv gesehen, gleichzeitig aber auch gefordert, dies schnell in den anstehenden Legislativverhandlungen dazu in Brüssel umzusetzen.

Demgegenüber nicht enthalten sind Aussagen zu weitergehenden steuerpolitischen Forderungen in den Koalitionsverhandlungen - vor allem der SPD. Auch vor dem Hintergrund des künftig voraussichtlich SPD-geführten Finanzministeriums ist jedoch denkbar, dass hier während der Legislaturperiode noch weitere Anpassungen erfolgen werden. Dies betrifft vor allem folgende Aspekte:
  • die Wiedereinführung der Vermögenssteuer,
  • die Abschaffung von erbschaftsteuerlichen Begünstigungen bei Übertragung von Betriebsvermögen (insbesondere Wohnungsunternehmen),
  • die Erhöhung der Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte auf 30 %,
  • die Abschaffung des Halteprivilegs für den einkommensteuerfreien Verkauf von Immobilien sowie
  • die Erhöhung des einkommensteuerlichen Spitzensteuersatzes auf 47 % und der „Reichensteuer“ auf 49 %.