S.O.S. Auslandsaufenthalt
S.O.S. Auslandsaufenthalt
Steuerliche Herausforderungen bei der Internationalisierung von Gesellschafterfamilien
Deutsche Familienunternehmen und ihre Anteilseigner sind zunehmend global erfolgreich und international ausgerichtet. Oft entscheiden sich die Gesellschafterinnen und Gesellschafter aufgrund eines Auslandsstudiums, wirtschaftlicher Vorteile oder des Wunsches nach einem angenehmeren Klima für einen Umzug ins Ausland. Die Ziele sind so vielfältig wie die Gründe: Italien, Spanien und Portugal bzw. die Schweiz zählen zu den beliebtesten Destinationen. Die Gesellschafterinnen und Gesellschafter – regelmäßig aus der jungen Nachfolgegeneration – sind dabei häufig die erste Generation, die den Schritt ins Ausland wagt.
Häufig bietet der Umzug auch steuerliche Reize, doch der erste Schritt in die internationale Mobilität führt zu komplexen steuerlichen Herausforderungen. Doch was genau ist zu beachten, wenn man beabsichtigt, den Wohnsitz ins Ausland zu verlagern? Wir geben hilfreiche Gestaltungshinweise und Antworten auf steuerliche Fragen.
Fest steht: Personen, die in Deutschland leben und wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind, müssen bei einem Verkauf ihrer Anteile den erzielten Gewinn in Deutschland versteuern. Wenn jedoch vor dem Verkauf der Wohnsitz oder Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt wird, verliert der Fiskus in den meisten Fällen sein Besteuerungsrecht für den Gewinn aus dem späteren Anteilsverkauf. Um einen Verlust der Besteuerungsgrundlage in Deutschland zu verhindern, sieht die Wegzugsbesteuerung vor, dass zum Zeitpunkt der Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland eine steuerliche Realisierung der stillen Reserven in den Anteilen erfolgt. Dabei kommt das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung, das einen maximalen Steuersatz von etwa 30% vorsieht.
Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG verlangt, dass eine steuerpflichtige Person mindestens sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Bei einer Schenkung oder einem Erbfall werden die Aufenthaltszeiten der Rechtsvorgängerin oder des Rechtsvorgängers berücksichtigt. Zudem ist eine Beteiligung von mindestens 1% am Kapital einer Kapitalgesellschaft in den letzten fünf Jahren vor dem Wegzug entscheidend. Bei einem unentgeltlichen Erwerb wird die Beteiligung der Rechtsvorgängerin oder des Rechtsvorgängers berücksichtigt.
Wann greift die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung wird relevant, wenn jemand seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgibt, unabhängig von jeglichen Änderungen im Besteuerungsrecht. Sie tritt auch in Kraft, wenn Kapitalgesellschaftsanteile auf eine Erwerberin oder einen Erwerber übergehen, die oder der nicht in Deutschland steuerpflichtig ist. Daher ist es ratsam, bei potenziellen Erbinnen oder Erben im Ausland Vorkehrungen zu treffen, um eine Doppelbelastung durch Wegzugssteuer und Erbschaft- oder Schenkungssteuer zu vermeiden. Zudem wird die Wegzugsbesteuerung ausgelöst, wenn der Lebensmittelpunkt zu einem Nebenwohnsitz im Ausland verlagert wird.
Die Wegzugsbesteuerung ist ausgerichtet auf die Besteuerung eines dauerhaften Wegzugs zur Nutzung von Steuervorteilen im Anwendungsbereich von Doppelbesteuerungsabkommen. Bei vorübergehender Abwesenheit gilt ein siebenjähriger „Regel-Rückkehrzeitraum”, der auf bis zu zwölf Jahre verlängert werden kann, wenn eine Rückkehr nach Deutschland wahrscheinlich ist. Statusänderungen, wie Verkäufe oder Gewinnausschüttungen, sind während dieser Zeit nicht erlaubt.
Bis Ende 2021 konnte bei Wegzug in einen EU- oder EWR-Staat eine unbegrenzte, zinslose Stundung beantragt werden. Jetzt kann die festgesetzte und sofort fällige Wegzugssteuer auf Antrag in sieben Jahresraten gezahlt werden, wenn eine ausreichende Sicherheit geleistet wird.
Praxishinweis:
Aufgrund des „fiktiven“ Charakters der Wegzugsteuer bedeutet dies eine finanzielle Belastung für die Steuerpflichtigen, dem kein Liquiditätszufluss in Form eines Veräußerungspreises entgegensteht. Es handelt sich mithin um sog. „dry income“, das aus anderen Vermögensgegenständen oder Einkunftsquellen zu bedienen ist.Frühzeitiges Handeln ist essenziell
Angesichts der steuerlichen Herausforderungen sollten Unternehmerfamilien rechtzeitig im Vorfeld einer Wohnsitz- oder Ansässigkeitsverlagerung vorsorgen und entsprechende Gestaltungsüberlegungen zur Abmilderung der steuerlichen Belastung umsetzen. Dabei stechen drei Optionen heraus.
1. Einlage der Kapitalgesellschaftsanteile in ein steuerliches Betriebsvermögen im Inland
Die grundsätzlich ertragsteuerneutrale Einlage in eine lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaft (GmbH & Co. KG, bei der ausschließlich eine Kapitalgesellschaft als unbeschränkt haftende Komplementärin fungiert und die Kommanditisten nicht zur Geschäftsführung befugt sind) reicht im Fall von wesentlichen Beteiligungen nach Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht mehr aus. Nur eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft schirmt die Kapitalgesellschaftsbeteiligung so ab, dass die Wegzugsteuer ihrem Wortlaut nach ausdrücklich nicht mehr anwendbar ist.
Nach einem Wegzug ins Ausland behält der Gesellschafter so aus deutscher Sicht eine abkommensrechtlich anerkannte Betriebsstätte. Dadurch wird der Besteuerungszugriff auf die stillen Reserven in den Kapitalgesellschaftsanteilen im Verkaufsfall weiterhin ausschließlich Deutschland zugeordnet (keine Entstrickungsbesteuerung gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 EStG). Das gilt, wenn ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Personengesellschaft und der eingelegten Kapitalgesellschaft besteht, etwa bei betrieblichen Zusammenhängen oder wenn die Personengesellschaft als geschäftsleitende Management-Holding fungiert und ihre Gewerblichkeit u. a. aus der Erbringung von Managementdienstleistungen gegenüber – nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl zumindest zwei – nachgeordneten Portfoliobeteiligungen ableitet.
Praxishinweis:
Zur Vermeidung von hohen Umsetzungskosten kann die Kapitalgesellschaft in eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft umgewandelt werden. Hierbei könnten offene Rücklagen in der Kapitalgesellschaft besteuert werden.2. Schenkung an eine Familienstiftung
Die schenkweise Übertragung von Unternehmensanteilen an eine Familienstiftung vor dem Wegzug ermöglicht Unternehmerfamilien maximale internationale Mobilität. Hierbei geht das Eigentum an den Anteilen dauerhaft an einen selbständigen Rechtsträger, die Stiftung, über. Es ist empfehlenswert, durch die Satzung eine umfassende finanzielle Absicherung für den Stifter und seine Familienmitglieder im Gegenzug für die Vermögensübertragung zu garantieren.Praxishinweis:
Die Stiftung kann als „vermögensloser“ Erwerber von der Verschonungsregelung des § 28a ErbStG in vollem Umfang Gebrauch machen. Bei begünstigtem Betriebsvermögen kann dies zu einer nahezu vollständigen Befreiung von der Erbschaftsteuer aufgrund der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsvorschriften der §§ 13 a bis c ErbStG führen.Die Übertragung von Vermögen auf eine ausländische Familienstiftung, z. B. in Liechtenstein oder Österreich, könnte im Hinblick auf die alle 30 Jahre anfallende Ersatzerbschaftsteuer bei deutschen Familienstiftungen in Betracht gezogen werden. Bei entsprechender Abschirmung gegen Wegzugs- oder Entstrickungsbesteuerung können erhebliche steuerliche Vorteile entstehen, die sich insbesondere aus der in deutschen Familiengesellschaften üblichen Organisation mit einer Personengesellschaft als Spitze des Familienkonzerns anbieten.