ED/2023/1: vorgeschlagene Änderungen an IAS 12 aufgrund von Pillar 2
Insgesamt haben sich weltweit über 135 Staaten auf die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2) geeinigt. Ziel der globalen Mindestbesteuerung ist die Unterbindung der Verschiebung von Unternehmensgewinnen in sog. Steueroasen. Multinationale Unternehmen, die definierte Größenklassen überschreiten, unterliegen mit Wirksamwerden von Pillar 2 einer effektiven Mindestbesteuerung in Höhe von mind. 15%. Der IASB reagiert mit Veröffentlichung von ED/2023/1 – International Tax Reform – Pillar Two Model Rules (proposed amendments to IAS 12) auf Bedenken der Stakeholder hinsichtlich der Umsetzung der Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung in Bezug auf die Bilanzierung von Ertragssteuern. Der Entwurf sieht eine obligatorisch anzuwendende Ausnahme/Erleichterung (temporary exception) der Pflicht zur Bilanzierung latenter Steuern vor, die aus der Implementierung der Pillar 2-Regulungen resultieren (ED IAS 12.4A „minimum top up taxes“). „An entity shall neither recognise nor disclose information about deferred tax assets and liabilities related to Pillar Two income taxes” (ED IAS 12.4A). Unternehmen haben im Anhang anzugeben, dass sie von der Ausnahme Gebrauch gemacht haben (ED IAS 12.88A). Der Entwurf sieht Anhangangaben sowohl für den Zeitraum, vor Inkrafttreten der Pillar 2-Regelungen als auch für den Zeitraum, nachdem diese in Kraft getreten sind, vor.
So haben Unternehmen den tatsächlichen Steueraufwand (bzw. -ertrag) im Zusammenhang mit Pillar 2-Ertragssteuern anzugeben (ED 12.88B).
In Perioden, in denen die Pillar 2-Regelungen zwar beschlossen aber „not yet in effect“ sind, sind nach ED 12.88C folgende Angaben (für die jeweilige Periode) zu tätigen:
- Informationen über „such legislation enacted or substantively enacted“ in den Jurisdiktionen, in denen das Unternehmen tätig ist;
- Angaben, in welchen Jurisdiktionen der nach IAS 12 berechnete durchschnittliche effektive Steuersatz des Unternehmens in der aktuellen Periode weniger als 15% beträgt, die Angabe des Steueraufwands (-ertrags) und des aggregierten bilanziellen Ergebnisses vor Steuern sowie des gewichteten durchschnittlichen effektiven Steuersatzes für die betroffenen Jurisdiktionen;
- Angaben, ob die Beurteilungen, die ein Unternehmen bei der Vorbereitung auf die Einhaltung der Pillar 2-Regelungen vorgenommen hat, darauf hindeuten, dass es Jurisdiktionen gibt, in denen erwartet wird, entweder Ertragssteuern gemäß der Pillar 2-Regelungen zu zahlen, obwohl der Schwellenwert von 15% nicht einschlägig ist, oder keine Ertragssteuern gemäß der Pillar 2-Regelungen zu zahlen, obwohl der Schwellenwert von 15% einschlägig ist.
Die Kommentierungsfrist für die vorgeschlagenen Änderungen an IAS 12 endete am 10.03.2023. Die Änderungen sollen umgehend nach Veröffentlichung der finalen Änderungen retrospektiv nach IAS 8 angewendet werden. Die Angabevorschriften unter ED IAS 12.88B-.88C sollen für Geschäftsjahre anzuwenden sein, die am oder nach dem 1.1.2023 beginnen. Den vollständigen Entwurf finden Sie hier. Eine Veröffentlichung der finalen Änderungen an IAS 12 ist für Ende Mai 2023 geplant.
ED/2023/2: vorgeschlagene Änderungen an IFRS 9 und IFRS 7 (Klassifizierung und Bewertung)
Obwohl der Post-implementation Review (PiR) zu IFRS 9 (Klassifizierung und Bewertung) zu dem Ergebnis kam, dass der Standard wie beabsichtigt funktioniert, hatte der IASB dennoch einige Vorschriften identifiziert, die zeitnah einer Klarstellung bedurften, um ihre Verständlichkeit zu verbessern. Der IASB kam zu dem Schluss, dass es am effizientesten wäre, alle vorgeschlagenen Änderungen in einem einzigen Exposure Draft (ED) zu veröffentlichen. Am 21.03.2023 veröffentlichte der IASB daher ED/2023/2 Amendments to the Classification and Measurement of Financial Instruments (proposed amendments to IFRS 9 and IFRS 7) mit einer Kommentierungsfrist bis 19.07.2023. Nachfolgend stellen wir Ihnen die wesentlichen vorgeschlagenen Änderungen vor:
Erfüllung einer finanziellen Verbindlichkeit durch elektronischen Zahlungsverkehr
Im September 2021 erreichte das IFRS IC eine Anfrage, wann eine Forderung auszubuchen sei, wenn diese mittels elektronischem Überweisungssystem beglichen wird und dies mehrere Tage in Anspruch nimmt. Das IFRS IC kam zu dem Ergebnis, dass die Forderung erst mit Erhalt der Zahlungsmittel – mit Kontogutschrift – auszubuchen sei. Entgegen der Empfehlung des IFRS IC hatte der IASB beschlossen, gegen eine Veröffentlichung der Agenda Decision zu stimmen. In Anerkennung der zahlreichen Kommentierungen sollte zunächst die Möglichkeit einer Adressierung der weiterreichenden Fragestellung über eine eng gefasste Änderung des Regelwerks diskutiert werden. Schließlich hätte eine Veröffentlichung der Agenda Decision nicht unerhebliche Auswirkungen auf die in der Praxis zum Teil vorzufindenden Ausbuchungspraktiken gehabt. Mit den nunmehr vorgeschlagenen Änderungen soll auf die Bedenken, die vor allem finanzielle Verbindlichkeiten betrafen, eingegangen werden. Mittels der vorgeschlagenen Änderungen ermöglicht der IASB Unternehmen finanzielle Verbindlichkeiten, die über ein elektronisches Zahlungssystem abgewickelt werden, auszubuchen, auch wenn das Unternehmen noch keine Barmittel geliefert hat. Diese neu eingeräumte Möglichkeit darf nach dem neu eingefügten IFRS 9.B3.3.8 allerdings nur bei erfolgter Initiierung des Zahlungsauftrags und Vorliegen der folgenden Kriterien zur Anwendung kommen:
- das Unternehmen hat keine Möglichkeit den Zahlungsauftrag zu widerrufen, zu stoppen oder zu ändern;
- das Unternehmen hat keine praktische Möglichkeit, auf die Zahlungsmittel zuzugreifen, die aufgrund der Zahlungsanweisung für den Zahlungsauftrag verwendet werden sollen und
- das mit dem elektronischen Zahlungssystem verbundene Abwicklungsrisiko ist unbedeutend.
Entscheidet sich ein Unternehmen für die Anwendung der neu eingefügten Ausbuchungsoption, ist es verpflichtet, diese auf sämtliche Abwicklungen anzuwenden, die über dasselbe elektronische Zahlungssystem erfolgen (ED IFRS 9.B3.3.10).
Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte
Der IASB nimmt Änderungen an den Anwendungsleitlinien von IFRS 9 vor, um zu bestimmen, ob vertragliche Zahlungsströme ausschließlich Tilgungs- und Zinszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag vorsehen (sog. SPPI-Kriterium), insbesondere in Bezug auf finanzielle Vermögenswerte mit ESG-bezogenen Merkmalen. So liegt bei einer solchen Beurteilung der Fokus auf der Frage, wofür ein Unternehmen vergütet wird und nicht in welcher Höhe. Ein Darlehen erfüllt beispielsweise das SPPI-Kriterium, wenn der Zinssatz periodisch in festgelegter Höhe basierend auf einer vertraglich festgelegten Reduktion der Treibhausgasemissionen des Schuldners angepasst wird. Anders zu klassifizieren sind dagegen Darlehen, bei denen das entsprechende Ereignis einen allgemeinen Marktfaktor darstellt, der nicht spezifisch auf den Schuldner zurückzuführen ist.
Darüber hinaus sieht der Entwurf Änderungen für Klarstellungen zur Klassifizierung nicht-rückgriffsberechtigter finanzieller Vermögenswerte (financial assets with non-recourse features) und vertraglich verknüpfter Instrumente (contractually linked instruments) vor.
Änderungen an Angaben zu Finanzinstrumenten (IFRS 7) in Bezug auf:
- Eigenkapitalinstrumente, die designiert werden als zum beizulegenden Zeitwert bewertet mit Erfassung der Veränderungen im sonstigen Ergebnis,
- Vertragsbedingungen, die den Zeitpunkt oder die Höhe der vertraglichen Zahlungsströme in Abhängigkeit des Eintritts (oder Nicht-Eintritts) eines ungewissen Ereignisses, das spezifisch für den Schuldner ist, verändern können.
Der Entwurf enthält noch keine Angaben zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Änderungen. Der Entwurf sieht grundsätzlich eine retrospektive Anwendung der Änderungen nach IAS 8 vor, schreibt eine Anpassung der Vergleichsinformationen aber nicht vor.
Agenda Decisions des IFRS IC in Q1/2023
Das IFRS IC hat in seiner März-Sitzung zu folgenden Themen eine finale Formulierung einer Agendaentscheidung vorgelegt:
Norm |
Thema |
Monat der |
IFRS 16 |
Definition of a lease: Substitution Rights |
März |
Gegenstand der Anfrage war, ob ein Leasinggeber über ein Substitutionsrecht verfügt, welches substanziell ist, wenn er zwar während des gesamten Nutzungszeitraums ein Recht auf Austausch des Leasinggegenstands hat, aber nicht über den gesamten Nutzungszeitraum einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Ausübung dieses Rechts ziehen kann. Das IFRS IC kam zu dem Schluss, dass zwar die Kriterien nach IFRS 16.B14(a) erfüllt sind, da der Leasinggeber für den gesamten Nutzungszeitraum ein Recht auf Austausch des Leasinggegenstands hat, nicht jedoch die Kriterien nach IFRS 16.B14(b), da der Leasinggeber mit dem Austausch nicht über den gesamten Nutzungszeitraum einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Austausch erzielen kann. Es liegt somit kein substanzielles Austauschrecht vor.
Die finale Agendaentscheidung steht unter dem Vorbehalt eines ausbleibenden Vetos seitens des IASB.