Steuerrisiko bei Verpachtungs-BgA

Die kommunale Gestaltungspraxis hat – aus teils sehr unterschiedlicher Motivationslage – in der Vergangenheit eine mehr oder weniger typische Konstellation hervorgebracht. Hierbei überlässt die jPdöR einer anderen Gesellschaft eine dauerverlustige Einrichtung zum Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Typischerweise handelt es sich bei den Betrieben um Hallen- oder Freibäder, Sporteinrichtungen, aber auch Stadt- und Mehrzweck­hallen. Bei der Betreibergesellschaft handelt es sich häufig um privatrechtlich organisierte Gesellschaften, wie z. B. GmbH oder GmbH & Co. KG, an denen die jPdöR alleine oder mehrheitlich beteiligt ist. Zur Begründung der Unternehmerstellung der jPdöR wird mit der Betreibergesellschaft sodann eine Pacht vereinbart, die auf Ebene der jPdöR die Einnah­meerzielungsabsicht und damit das Vorliegen eines Verpachtungs-BgA begründen soll. Da die Betreibergesellschaft ebenso wie die jPdöR allerdings nicht imstande ist, den Betrieb der Einrichtung kostendeckend oder gar gewinnbringend zu unterhalten, verpflichtet sich die jPdöR, den aus dem Betrieb der Einrichtung entstehenden Verlust auszugleichen. Diese Konstellationen waren bereits in der Vergangenheit häufig Streitpunkt im Rahmen von Betriebsprüfungen, konnten aufgrund der bis­lang gefestigten Verwaltungsauffassung jedoch in der Regel rechtswirksam gestaltet werden.

Aufgrund der mit Schreiben vom 15.12.2021 durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) be­kannt gegebenen Verwaltungsauffassung droht insbesondere bei dauerdefizitären Verpachtungs­betrieben gewerblicher Art (u. a. kommunale Bäder oder Mehrzweckhallen) nun eine zwangs­weise Betriebsaufgabe und eine damit einhergehende Besteuerung der stillen Reserven in erheblichem Umfang.

Das BMF schließt sich damit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) an, wonach der Begriff der „Verpachtung“ in § 4 Abs. 4 KStG eine entgeltliche Überlassung von Einrich­tungen, Anlagen oder Rechten voraussetze. Dabei sei im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung zu beurteilen, ob es sich im Einzelfall um eine entgeltliche Überlassung handelt. Dies hatte der BFH in seinem Urteil vom 10.12.2019 (Az. I R 58/17) klargestellt. In einem Parallel­urteil vom 10.12.2019 (Az. I R 9/17) hat der BFH im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden.

I.   Hintergrund: BFH-Urteil zur Verpachtung eines Schwimmbades (Az. I R 58/17)

Die klagende Stadt unterhielt ein städtisches Frei­zeit­zentrum, bestehend aus einem Hallen­bad, einer Sauna sowie einer Bowlingbahn. Ab 2007 ver­pachtete die Stadt das Hallenbad an eine GmbH. Die GmbH verpflichtete sich, das Schwimm­bad für öffentliche Zwecke zu betrei­ben. Neben der jährlichen Pacht von 5.000,00 € musste die GmbH für Reparaturen bis zu 12.000,00 € jährlich aufkommen. Die Stadt ver­pflich­tete sich ihrerseits, der GmbH einen Betriebskostenzuschuss von rund 250.000,00 € jährlich zu gewähren.

Die Stadt erklärte für 2008 einen Verlust von 400.000,00 € aus einem Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art (Verpachtungs-BgA). Das Finanzamt lehnte diesen allerdings ab, da es sich ihrer Auffassung nach aufgrund der geringen Pachtzah­lungen und der hohen Betriebskosten nicht um einen Verpachtungs-BgA handelte. Das Hallenbad sei vielmehr unentgeltlich überlassen worden.

II.  Begriff des Verpachtungs-BgA

Verpachtet eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen Betrieb gewerblicher Art, wird dies gemäß der gesetzlichen Fiktion des § 4 Abs. 4 KStG dem Betreiben eines Betriebs gewerblicher Art gleichgestellt. Der Sinn und Zweck dieser Fiktion besteht darin zu verhindern, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts die Körperschaftsteuer dadurch umgehen, dass sie Einrichtungen nicht selbst betreiben, sondern ver­pachten. Unter einer Verpachtung ist dabei jede entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten, die beim Verpächter einen BgA darstellen würde, zu verstehen. Unentgeltliche Nutzungsüberlassungen stellen somit keinen Ver­pach­tungs-BgA dar.

III. BFH: Überlassung nicht entgeltlich

Zwar handele es sich nach Ansicht des BFH bei dem Betrieb des Hallenbades – würde er vom Kläger unmittelbar selbst betrieben – um einen BgA i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 1 KStG. Denn auch das Betreiben eines Dauerverlustgeschäfts nach § 8 Abs. 7 S. 2 KStG könne, da allein die Ein­nah­menerzielungsabsicht ausreiche, zur Begründung eines BgA führen.

Allerdings führe die Überlassung des Hallenbades mangels Entgeltlichkeit nicht dazu, dass ein steu­errelevanter Verpachtungs-BgA vorliegt.

Maßgeblich für die Beurteilung der Entgeltlichkeit sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Leistungen zwischen Verpächter und Pächter. Sofern nicht der Pächter, sondern die ver­pachtende Körperschaft die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses trägt, liege gerade keine Ent­geltlichkeit in diesem Sinne vor. Entscheidend da­bei ist nach Auffassung des BFH „bei einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Be­trach­tung, dass sich die Höhe des jährlichen Zuschusses für die Durchführung des Badebetriebs an einer am Jahres­ende vorzunehmenden Abrech­nung richtet, in die unter anderem auch die Pacht­zah­lungen als durch den Bäderbetrieb ver­ursachter Aufwand einfließen.“

Im Streitfall habe die Stadt als Verpächterin die wirt­schaftliche Last des verpachteten Betriebs getragen, da der Betriebskostenzuschuss die Pacht sowie die übernommenen Repa­ratur­kosten der Pächterin weit überstieg.

Teilweise wird in der Literatur die Recht­spre­chung dahingehend ausgelegt, dass von einer Ent­geltlichkeit der Verpachtung dann ausgegangen werden kann, wenn sich die Höhe des Zuschusses generell nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen des Pächters bemisst bzw. sich zwar an den Aufwendungen des Pächters orientiert, aber ohne dass in diesen Aufwen­dungen die Pacht­zahlungen berücksichtigt sind. Insoweit bestünde grundsätzlich die Möglich­keit einer entspre­chen­den Gestaltung.

IV. Anpassung BMF-Schreiben

Das BMF hat sich der Auffassung des BFH im Ergebnis angeschlossen und sein Schreiben vom 12.11.2009 (BStBl I S. 1303) mit Schreiben vom 15.12.2021 entsprechend angepasst.

Bisher hatte die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass eine Verrechnung der erhaltenen Pacht mit den geleisteten Zuschüssen an die Betreibergesellschaft nur dann erfolge, wenn zwischen der Pacht und dem Zuschuss ein rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang be­steht. Dass die Finanzverwaltung nun von einer Verrechnung bereits dann ausgeht, wenn der Verpächter die wirtschaftliche Last des Pacht­zinses trägt, hat weitrei­chen­de Folgen für die Praxis. Zu beachten ist insoweit auch, dass die Finanzverwaltung eine Verrechnung von Pacht und Zuschuss unabhängig davon annimmt, ob sich der Zuschuss des Verpächters nach den Aufwendungen des Pächters richtet. Insoweit übersteigt die Auf­fassung des BMF sogar noch die weite Auslegung der Rechtsprechung im Hinblick auf die Ver­rechnung von Pacht und Zuschuss. Übersteigt der Zuschuss des Verpächters die Pacht, liegt danach automatisch eine Unentgeltlichkeit der Verpachtung vor.

V. Steuerliche Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten

Die von der Finanzverwaltung vertretene wirt­schaftliche Betrachtungsweise kann dazu führen, dass bisherige BgA als aufgelöst bzw. als nie existent bewertet werden und dadurch die im Betriebsvermögen liegenden stillen Reserven zu realisieren sind. Infolgedessen drohen erhebliche steuerliche Belastungen. Im Hinblick auf die Kapi­tal­ertragsteuer kann es zu einer verdeckten Gewinnausschüttung kommen, die dem Grunde nach Kapitalertragsteuer auslöst, so­weit nicht das steuerliche Einlagekonto für die Überführung des Vermögens in den Hoheits­bereich verwendet werden kann. Auch im Bereich der Umsatz- und Körperschaftsteuer drohen Belastungen.

Erfreulicherweise wird es vom BMF übergangs­weise – bis zum 31.12.2022 – nicht beanstan­det, wenn die bisher geltenden Grundsätze angewandt werden. Dies bedeutet jedoch auch, dass spätestens bis zum 31.12.2022 eine Strategie zur Vermeidung der zwangsweisen Beendigung des Ver­pachtungs-BgA und der dadurch drohende Steuerbelastung umgesetzt werden muss.

Hier spielen die konkreten Umstände des Einzelfalls eine entscheidende Rolle. Ist aufgrund der Rechtsprechung und der Auffassung der Finanz­verwaltung davon auszugehen, dass die bislang als BgA geführte Einrichtung zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen eines BgA erfüllt hat, scheidet unseres Erachtens bereits eine mögliche Besteuerung von stillen Reserven und eine Entnahmebesteuerung aus. Hat die jPdöR im Rahmen dieses BgA in der Vergangenheit, jedoch z. B. für Investitionen, Vorsteuern gezogen oder sich im Rahmen eines sog. Einlagemodells die KapESt erstatten lassen, kann insoweit dennoch eine erhebliche steuerliche Belastung drohen. Haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten im Laufe der Jahre verändert oder beruft sich die juristische Person des öffentlichen Rechts zur Vermeidung der dargestellten steuerlichen Nachteile auf die Übergangsfrist bis zum 30.12.2022, droht spätestens dann eine zwangsweise Betriebsaufgabe und eine dadurch bedingte Aufdeckung stiller Reser­ven sowie eine KapESt-pflichtige Entnahmebesteuerung.

Zur Vermeidung der genannten Steuerrisiken können sich verschiedene Gestaltungsmodelle anbie­ten. So kann die juristische Person des öffentlichen Rechts z. B. den Dauerverlust­betrieb wieder im eigenen Namen und auf eigene Rechnung führen. Für die operative Betriebsführung kann dabei auch ein Dritter beauftragt werden (Betriebsführungsmodell). Mangels Verpachtung würde die BgA-Problematik dann nicht bestehen. Alternativ kann die Ein­richtung auch vollständig auf die Betreibergesellschaft überführt werden. Eine Möglich­keit zur Vermeidung der Auflösung des Verpachtungs-BgA besteht ggf. auch darin, den Zu­schuss derart umzugestalten, dass dessen Höhe nicht mehr an den Kosten des Pächters bemessen wird, damit der Pächter die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses trägt. Auf die diesbezüglichen Unwägbarkeiten im Hinblick auf die Auffassung der Finanzver­waltung haben wir bereits hingewiesen.

Ob und welches Vorgehen im Einzelfall erfolgversprechend ist, hängt jedoch nicht nur von den steuerlichen Folgen ab, sondern wird auch durch weitere Faktoren, wie z. B. die Frage der Über­nahme der Arbeitnehmer oder den politischen Gestaltungswillen, beeinflusst. Es gibt daher keine Muster-Lösung. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, welche Gestaltung unter Beachtung der steuerlichen Risiken sinnvoll und zielführend ist.

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