Voraussichtliche Änderungen an IFRS 3 und IAS 36 – Entwurf IASB/ED/2024/1


Abstract

Mit einem Entwurf vom März 2024 hat das IASB geplante Änderungen an den oben genannten Standards vorgeschlagen. Ziel des Entwurfs ist es, die Transparenz und Entscheidungsnützlichkeit der Berichterstattung über Unternehmensübernahmen zu verbessern, dies birgt für Ersteller von Abschlüssen praktische Herausforderungen da insbesondere für strategischen Übernahmen umfangreiche Informationen bereitgestellt werden müssen. Hinsichtlich des Werthaltigkeitstest werden operationale Verbesserungen in Aussicht gestellt, diese vermögen allerdings nicht, die grundsätzlichen Probleme des Werthaltigkeitstest anzugehen. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte der vorgeschlagenen Änderungen dargelegt und kritisch hinterfragt.
 

Hintergrund

Der vorliegende Entwurf (ED 2024-1) markiert den bislang letzten Zwischenschritt eines über ein Jahrzehnt andauernden Prozesses zur Weiterentwicklung der M&A-relevanten Rechnungslegungsstandards. Obwohl sich aus Sicht der meisten IASB-Stakeholder die einschlägigen Standards im Wesentlichen bewährt haben, wurde (mitunter signifikanter) Verbesserungsbedarf bei der konkreten Informationsvermittlung zur Erst- und Folgebilanzierung von M&A-Transaktionen identifiziert. Daher betreffen die in ED 2024-1 vorgeschlagenen Änderungen sowohl die Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen in IFRS 3 Unternehmenszusammenschlüsse als auch die Folgebilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten in IAS 36 Wertminderung von Vermögenswerten.
 

Angabevorschläge zu Unternehmenszusammenschlüssen (IFRS 3)

Analysten, Investoren, aber auch Enforcement-Behörden bemängeln die geringe Aussagekraft der M&A-relevanten IFRS-Standards und die hieraus resultierenden Berichtspraxis. Die quantitativen und qualitativen Informationen nach IFRS 3 über die vom Management verfolgten Erwerbsziele sowie die ökonomischen und bilanziellen Erst- und Folgewirkungen von M&A-Transaktionen werden von den Nutzern als wenig entscheidungsnützlich wahrgenommen.17 In der Praxis werden deshalb als – unbefriedigendes - Surrogat, oft zeitlich erst erheblich nachgelagerte Informationen zur Werthaltigkeitsprüfung erworbener Geschäfts- oder Firmenwerte gemäß IAS 36) zur – indirekten und ungenauen – Performance Analyse verwendet.

Mit seinen Vorschlägen beabsichtigt der IASB, dieser Kritik zu begegnen: Die Angaben zur Performance von Übernahmen, einschließlich der vom Management verfolgten strategischen und operativen Ziele sowie deren quantitative Messung, sollen deutlich erweitert werden. Dies betrifft insbesondere eine neue Untergruppe besonders wesentlicher M&A-Transaktionen, so genannte „strategische Übernahmen“. Für diese werden zahlreiche neue bzw. zusätzliche Angaben vorgeschlagen. Der Board will so die Einbettung von M&A-Transaktionen in die Gesamtstrategie des Unternehmens für die Nutzer verständlicher machen und die nacherwerbliche Analyse der Zielerreichung erleichtern bzw. erst ermöglichen („Soll-Ist-Vergleich“). Andererseits sollen die Abschlussersteller durch die Streichung redundanter Vorschriften und die Beschränkung der Angabeerweiterungen entlastet werden.
 

Klassifizierung und Wesentlichkeit (neue Kategorie „strategischer“ Übernahmen)

Eine zentrale beabsichtigte Neuerung ist die Aufteilung von einzeln berichtspflichtigen Unternehmensübernahmen in zwei Kategorien: „wesentliche“ und „strategische“ Übernahmen. Erstere sind wie bisher nach dem allgemeinen IFRS-Wesentlichkeitskonzept zu identifizieren. Als „strategisch“ gelten Übernahmen laut Entwurf, wenn „die Nichterfüllung eines der wesentlichen Unternehmensziele zum Erwerbszeitpunkt ein ernsthaftes Risiko für das Unternehmen darstellen würde, seine Gesamtgeschäftsstrategie zu verfehlen.“18  Dieses allgemeine Konzept, soll quantitativ und qualitativ operationalisiert werden, nämlich wenn das zu übernehmende Unternehmen zehn Prozent des vorerwerblichen, absoluten (nach IFRS 18 ermittelten) Konzern-Betriebsergebnisses des Erwerbers, bzw. dessen Konzernumsatzes oder der Konzernbilanzsumme erreicht oder überschreitet. Übernahmen können jedoch ebenfalls qualitativ „strategisch“ sein, wenn etwa ein neuer wesentlicher Geschäftszweig oder geographischer Geschäftsbereich erworben wird.
 

Angaben für alle wesentlichen Übernahmen

Die Vorschläge des IASB enthalten für alle wesentlichen Übernahmen qualitative Angaben zur Einbettung des spezifischen Erwerbs in die Unternehmensstrategie („strategic rationale“) sowie qualitative und quantitative Angaben zu erwarteten Kosten-, Umsatz- und „anderen“ Synergien sowie deren Messung und erwartetem Realisierungs-Zeithorizont.20 Dies geht signifikant über die bestehenden Regelungen hinaus. Auf eine Disaggregation der Synergie-Angaben kann nur verzichtet werden, wenn dies die Zielsetzung des Erwerbs gefährden würde, weil etwa ökonomisch sensible Informationen betroffen sind. Dieser Punkt ist in hohem Maße ermessensbehaftet, die Hürde zur Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung liegt aber relativ hoch.21

Ob diese Vorschläge geeignet sein werden, um die aus Erwerbersicht tatsächlich strategisch relevanten Übernahmen sachgerecht und damit entscheidungsnützlich abzugrenzen, um für Ersteller und Nutzer ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis der Rechnungslegung und Berichterstattung zu erreichen, bleibt daher abzuwarten.
 

Erweiterte Angaben für „strategische“ Übernahmen

Über die o.g. Informationen hinaus sind für als „strategisch“ klassifizierte Übernahmen die langfristigen Schlüsselziele („key objectives“) des Managements („key management personnel“), die kurz- bis mittelfristigen operativen Ziele („targets“) sowie zu Monitoringzwecken verwendete Kennzahlen anzugeben, sowohl für finanzielle als auch nicht-finanzielle Ziele. Der Entwurf sieht vor, dass diese Informationen nicht nur zum Zeitpunkt der Übernahme, sondern auch in den Folgejahren veröffentlicht werden müssen, um den Nutzern eine unmittelbare Soll-Ist-Analyse zu ermöglichen, solange das Management die Zielerreichung tatsächlich überwacht22 (mindestens aber zwei Jahre). Diese Erweiterung der Angabepflichten, aber auch deren zeitliche Beschränkung ist grundsätzlich begrüßenswert: Die nacherwerbliche („Post-Merger“) Integration erworbener Unternehmen in den Konzernkreis des Erwerbers verläuft oft relativ schnell, weshalb die geforderten Informationen ihre Relevanz und Entscheidungsnutzen ebenso schnell verlieren können.
 

Sonstige Änderungsvorschläge

Neben diesen stark erweiterten Angabepflichten beabsichtigt der IASB eine Reihe kleinerer Änderungen an IFRS 3. Beispielsweise sollen anders als bisher nicht mehr nur die wesentlichen erworbenen Vermögens- und Schuldenklassen angegeben werden, sondern alle.23 Außerdem wird als Bezugsgröße der Pro-Forma-Angaben zum Ergebnisbeitrag das Betriebsergebnis i.S.v. IFRS 18 vorgeschlagen.24 Überflüssige, wenig relevante bzw. i.W. von anderen Standards abgedeckte Vorschriften wie die Angaben zu Fair Values und Einbringlichkeitseinschätzung übernommener Forderungen  sollen25 ebenso wegfallen wie Angaben zu Goodwill-Anpassungen aus nachträglichem Ansatz aktiver latenter Steuern26 und zu Gewinnen bzw. Verlusten aus aktuellen oder früheren Erwerben, welche im Rahmen dieser Transaktion erworbene bzw. übernommene Vermögenswerte oder Schulden betreffen.27
 

Änderungen beim Werthaltigkeitstest für Geschäfts- oder Firmenwerte (IAS 36)

 

Beibehaltung des impairment-only approach

Der seit 2004 geltende impairment-only approach, bei dem der Goodwill nicht planmäßig abgeschrieben, sondern jährlich auf Werthaltigkeit überprüft wird, bleibt trotz signifikanter methodischer Kritik erhalten. Während Teile der Stakeholder eine Rückkehr zur planmäßigen Abschreibung fordern, haben sich sowohl der IASB als auch der US-amerikanische FASB dagegen entschieden. Die Hauptkritikpunkte am bestehenden Ansatz betreffen die Problematik des sogenannten „Management-Over-Optimism“, bei dem zu optimistische Annahmen über zukünftige Cashflows getroffen werden, und den sog. Shielding-Effekt, bei dem profitable Geschäftsbereiche Verluste in anderen Bereichen verdecken können.

Vermutlich standen politische und praktische Gründe einer Wiedereinführung der planmäßigen Abschreibung entgegen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die derzeit bilanzierten Goodwill-Werte durchschnittlich 26 % des Eigenkapitals europäischer Unternehmen ausmachen.28

Daher verfolgt der Board in seinem Entwurf in erster Linie das Ziel, die Anwendung des Impairment-Tests zu verbessern, ohne die Komplexität sowie die mit der Testdurchführung verbundenen Kosten zu erhöhen bzw. die Kosten der Durchführung zu senken, ohne die Leistungsfähigkeit des Tests einzuschränken.29
 

Änderungen im Rahmen Werthaltigkeitstests

Eine zentrale Änderung betrifft die Zuordnung des Geschäfts- oder Firmenwerts auf die jeweiligen zahlungsmittelgenerierenden Einheiten („cash-generating units“ bzw. „CGUs“). Der IASB hat erkannt, dass eine zu hohe Testebene, nämlich auf der maximal möglichen Segmentebene gemäß IFRS 8, in der Praxis weit verbreitet ist und so den Shielding-Effekt begünstigen kann. Durch eine präzisere Formulierung soll künftig sichergestellt werden, dass der Goodwill auf der Ebene getestet wird, auf der die tatsächliche Überwachung des ihm zugrunde liegenden Geschäfts erfolgt, was eine realistischere Bewertung ermöglichen soll und damit der Impairment-Test ggf. auf einer niedrigeren Testebene erfolgen.30 Die Zuordnung des Goodwill auf höchstmöglicher Ebene soll durch so erschwert werden. Anzumerken ist allerdings, dass die jeweiligen CGUs auch von den Synergien des Zusammenschlusses profitieren und finanzielle Informationen vorliegen müssen.31  Die Erfüllung dieser Voraussetzungen eröffnet den Bilanzierenden weiterhin Gestaltungsspielräume hinsichtlich der Allokationsebene des Geschäfts- oder Firmenwerts.

Außerdem hat der Board beschlossen die Regelungen zum Werthaltigkeitstest hinsichtlich zweier Sachverhalte zu verbessern: Zum einen ist es zukünftig möglich, den Abzinsungssatz anhand von Nachsteuersätzen zu ermitteln. Dies wurde in der Praxis auch bisher schon so durchgeführt, da am Kapitalmarkt eben nur Nachsteuergrößen ableitbar waren. So wird der Schritt der Umrechnung dieser Nachsteuergröße in eine Vorsteuergröße, welche gemäß IAS 36.134 im Anhang anzugeben war, nicht mehr erforderlich. Die andere Änderung betrifft die Ermittlung des Nutzungswertes: Hier ist es nach aktueller Rechtslage nicht möglich, Verbesserungen bzw. eine Erhöhung der Ertragskraft oder eine Restrukturierung, zu der sich das Unternehmen noch nicht verpflichtet hatte, im Rahmen der Cashflow-Planung zu berücksichtigen. Diese Restriktion soll zukünftig wegfallen, so dass im Rahmen der Ermittlung des Nutzungswertes auch Verbesserungen eingerechnet werden können.  Die Eliminierung dieser Effekte aus der vorgelegten Unternehmensplanung ist somit zukünftig nicht mehr erforderlich und vermindert den andernfalls anfallenden Zusatzaufwand für Abschlussersteller und -prüfer. Gleichzeitig ist aber zu befürchten, dass die Neuregelung nicht dazu beiträgt, den eingangs genannten „Management-Over-Optimism“ einzudämmen bzw. zu reduzieren.
 

Fazit

Der Entwurf des IASB stellt einen Fortschritt bei der Verbesserung der Transparenz und Entscheidungsnützlichkeit von Angaben zu Unternehmensübernahmen dar. Der IASB ist bestrebt, die Berichterstattung zu Übernahmen und die Folgebilanzierung des Goodwill zu verbessern, insbesondere durch die Einführung signifikant erweiterter Angaben für strategische Übernahmen und die Anpassung des Impairment-Tests. Die vom IASB gewählten starren quantitativen Kriterien zur Abgrenzung strategischer Übernahmen und die vorgeschlagenen, teilweise signifikant ermessensbehafteten Ausnahmeregelungen lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob dieses Ziel auf Basis der vorgelegten Vorschläge erreichbar ist. 

Die Schwächen des aktuellen Werthaltigkeitstests bleiben auch nach den Änderungen noch weitgehend bestehen, da insbesondere der „Management Over-Optimism“ von den Vorschlägen nicht ausreichend adressiert worden ist. Die „Auslagerung“ dieser Aufgabe auf den Abschlussprüfer ist als wenig hilfreich anzusehen.
 


[17] Vgl. IFRS Interpretations Committee Meeting, Agenda Paper 5, 11.06.2024, S. 19 (www.ifrs.org; Abruf: 11.07.2024)
[18] ED/2024/1, Frage 2.
[19] ED/2024/1 zu IFRS 3.B67C
[20] ED/2024/1 zu IFRS 3.B64(ea)
[21] ED/2024/1 zu IFRS 3.B67D(a).
[22]ED/2024/1 zu IFRS 3.B67B.
[23] ED/2024/1 zu IFRS 3.B64(i).
[24] ED/2024/1 zu IFRS 3.B64(q).
[25] IFRS 3.B64(h).
[26] IFRS 3.B67(d)(iii).
[27] IFRS 3.B67(e).
[28] Vgl. IASB, Staff Paper 18B, Potential consequences of transitioning to an amortization-based model, Mai 2022 (www.ifrs.org; Abruf: 05.07.2024).
[29] ED/2024/1.BC187a) und b).
[30] ED/2024/1.BC198.
[32] ED/2024/1 zu IAS 36.80A a) und b).
[31] Vgl. ED/2024/1 zu IAS 36.44 und ED/2024/1.BC205.