Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen

Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen

Mit Wirkung zum 01.01.2020 hat der Gesetzgeber die Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke ausdrücklich geregelt (§ 17 Abs. 2a EStG). Aufgenommen wurde dabei, dass insbesondere offene und verdeckte Einlagen sowie gesellschaftsrechtlich veranlasste Verluste aus in der Krise gewährten bzw. stehen gelassenen Darlehen den nachträglichen Anschaffungskosten zuzurechnen sind. Nunmehr befasst sich das BMF in seinem Schreiben vom 07.06.2022 mit dem konkreten Anwendungsbereich dieser neuen Regelung.

Danach zählen zu den offenen Einlagen u.a. Nachschüsse, Barzuschüsse und sonstige Zuzahlungen wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage. Die rein gesellschaftsintern wirkende Umgliederung einer freien Gewinnrücklage in eine zweckgebundene Rücklage fällt nicht darunter und führt somit auch nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den verdeckten Einlagen gehört vor allem der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen in Höhe des werthaltigen Teils; insofern erfolgt ein Ansatz nachträglicher Anschaffungskosten. Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Gesellschafterdarlehens ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Bei Darlehensgewährung nach dem 31.12.2008 sind aber bestimmte Voraussetzungen (Anteilsquote von 10 % und ab Veranlagungszeitraum 2020 ggf. Verlustverrechnungsbeschränkung i.H.v. derzeit EUR 20.000) zu beachten.

Die Verluste aus in der Krise gewährten bzw. stehen gelassenen Darlehen sind nach dem BMF-Schreiben erst dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt der Gewährung bzw. Weitergewährung eines Krisendarlehens die Darlehensrückzahlung angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft derart gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre. Die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens nur zu nicht marktüblichen Bedingungen reicht also für die Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nicht aus. Bei krisenbestimmten Darlehen (= Darlehen, bei dem der Gesellschafter im Vorfeld erklärt, dieses auch im Fall einer Krise stehenzulassen) und Finanzplandarlehen (= Darlehen, das von vornherein eine Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung vorsieht und den Einlagen gleichgestellt ist) geht das BMF-Schreiben unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung aus.

Bei der Bestimmung der betragsmäßigen Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten unterscheidet das BMF verschiedene Fallgruppen:

  • Gewährt der Gesellschafter ein Krisendarlehen, ein krisenbestimmtes Darlehen oder ein Finanzplandarlehen, erfolgt im Verlustfall die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten mit dem Nennwert des Rückzahlungsanspruchs. Entsprechendes gilt bei Verzicht auf ein Krisendarlehen bzw. krisenbestimmtes Darlehens. Das BMF-Schreiben weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Verlustberücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen (Subsidiaritätsgrundsatz gem. § 20 Abs. 8 EStG) nicht möglich ist.
  • Lässt der Gesellschafter ein vor der Krise gewährtes Darlehen in der Krise stehen, ist wie folgt zu differenzieren: Nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil führt im Verlustfall zu nachträglichen Anschaffungskosten; der nicht werthaltige Teil kann bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

Bei Verzicht eines in der Krise stehen gelassenen Darlehens gilt dies entsprechend. Dabei stellt der im Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltige Teil eine verdeckte Einlage und der nicht mehr werthaltige Teil einen Darlehensverlust dar; in beiden Fällen ist also eine Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten möglich. Der Verzicht auf den bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltigen Teil des stehen gelassenen Darlehens ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

Im Übrigen, also mitunter auch zur Bewertung, gelten die Ausführungen zu den Krisendarlehen.

Ein Verlust aus der Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens an die Gesellschaft oder einen Dritten führt, soweit keine verdeckte Einlage vorliegt, nach dem BMF-Schreiben nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten und ist daher bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

Danach ergibt sich folgende Übersicht:

 

Ertragsteuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen:

Berücksichtigung des Darlehensverzichts bzw. -verlusts…
Anwendungsfall … als nachträgliche Anschaffungskosten … bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Offene Einlagen
(Nachschüsse, Barzuschüsse und sonstige Zuzahlungen)
Ja, i.d.R. mit Nennwert. Nein.
Verdeckte Einlagen (Verzicht Gesellschafterdarlehen) Ja, soweit werthaltig, i.d.R. mit Nennwert. Ja, soweit nicht werthaltig, i.d.R. mit Nennwert.
Verlust/Verzicht Krisendarlehen bzw. krisenbestimmtes Darlehen. Ja, mit Nennwert. Nein, ausdrücklich ausgeschlossen.
Verlust Finanzplandarlehen Ja, mit Nennwert. Nein, ausdrücklich ausgeschlossen.
Verzicht Finanzplandarlehen Im BMF-Schreiben nicht ausdrücklich geregelt. Im BMF-Schreiben nicht ausdrücklich geregelt.
Verlust stehen gelassenes Darlehen Ja, soweit werthaltig im Zeitpunkt des Kriseneintritts, mit Nennwert. Ja, soweit nicht werthaltig im Zeitpunkt des Kriseneintritts, mit Nennwert.
Verzicht stehen gelassenes Darlehen Ja, soweit werthaltig im Zeitpunkt des Kriseneintritts
(im Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig = verdeckte Einlage; im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr werthaltig = Darlehensverlust), mit Nennwert.
Ja, soweit nicht werthaltig im Zeitpunkt des Kriseneintritts, mit Nennwert.
Verlust Veräußerung gesellschaftsrechtlich veranlasstes Darlehen an Gesellschaft oder Dritten Ja, soweit verdeckte Einlage. Ja, außer verdeckte Einlage.

Die vorgenannten Regelungen sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden, bei denen die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften oder der einer Veräußerung gleich gestellte Vorgang wie z.B. die Auflösung einer Kapitalgesellschaft nach dem 31.07.2019 stattgefunden hat. Der Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Darlehenserwerbs ist dabei nicht maßgeblich. Auf Antrag des Steuerpflichtigen können die vorgenannten Regelungen aber auch bei entsprechenden Veräußerungen bzw. gleich gestellten Vorgängen vor dem 31.07.2019 (gemeint ist wohl vor dem 01.08.2019) angewendet werden, sofern diese verfahrensrechtlich noch offen sind.

Hinweis: Der BFH hatte in seinem Grundsatzurteil vom 11.07.2017 (Az. IX R 36/15) entschieden, dass ein GmbH-Gesellschafter den im Jahr 2011 generierten Verlust aus sog. eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen aufgrund einer Änderung des GmbH-Rechts aus dem Jahr 2008 nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung geltend machen kann. Danach wären beispielsweise auch Verluste aus der gesellschaftsrechtlich veranlassten Gewährung bzw. Weitergewährung von Krisendarlehen keine nachträglichen Anschaffungskosten auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mehr gewesen und mit der Einführung der Abgeltungsteuer zum 01.01.2009 allenfalls bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Dies bewog den Gesetzgeber zur gesetzlichen Regelung der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke (§ 17 Abs. 2a EStG).

Da hierin allerdings insbesondere keine Angaben zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten enthalten sind, wurde das BMF-Schreiben mit Spannung erwartet. Erfreulich dürfte dabei die diesbezüglich schlichte Formulierung zu den in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen sein, wonach diese letztlich auch mit dem Nennwert des Rückzahlungsanspruchs zu bewerten sein sollten.

Das A und O für die Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten ist allerdings eine ordnungsgemäße buchhalterische Erfassung. Ergibt sich hieraus nicht einwandfrei, ob es sich bei den gegenseitigen Zahlungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft um Darlehensgewährungen, Auslagen, Einlagen, Zinsen oder Tilgungen handelt, dürfte eine entsprechende Berücksichtigung in der Praxis wohl schwierig werden.