Einführung des Amount B im Bereich der Verrechnungspreise

Neue Regeln für Vertriebsgesellschaften?

Amount B und Pillar 1 und 2

Am 19. Februar 2024 veröffentlichte das sogenannte „Inclusive Framework on BEPS“ der OECD / G20 den „Report on Amount B of Pillar One" („der Bericht").  Er ist Teil der Zwei-Säulen-Lösung der OECD zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben. Während im Rahmen der zweiten Säule (Pillar Two) multinationale Unternehmen in jedem Land mit einem effektiven Mindeststeuersatz von 15 % besteuert werden sollen, unabhängig davon, wo sie tätig sind, geht es bei der ersten Säule (Pillar One) um die Entwicklung von Subject-to-tax Regeln und eines Umsetzungsrahmens.

Anwendung auf Vertriebsgesellschaften

Die OECD möchte mit Amount B einen standardisierten Ansatz für die Festlegung fremdvergleichskonformer Bandbreiten für „Basis-Marketing- und Vertriebsaktivitäten" bieten, um insbesondere „Länder mit geringer Kapazität" („low-capacity jurisdictions“) zu unterstützen. Auf der Grundlage bestehender Grundsätze in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien soll Amount B „einen vereinfachten und verschlankten Preisfindungsrahmen bieten, der eine Umsatzrendite für qualifizierte Vertriebsgesellschaften bestimmt", und als Anhang zu Kapitel IV in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen werden.2

Einführung des Amount B

Anders als der Rest der ersten Säule gilt Amount B nicht nur für sehr große multinationale Unternehmen. Um das Amount B-Verfahren bereits ab 2025 einzuführen, muss ein Land jedoch zunächst zu diesem Verfahren optieren. Am 17. Juni 2024 veröffentlichte die OECD eine Liste, die mehr als 60 „in Frage kommende Länder" („covered jurisdictions“) enthält, zumeist „OECD- und G20-Mitgliedsländer mit niedrigen und mittleren Einnahmen".  Bislang ist nicht bekannt, welche dieser Länder sich mit Wirkung ab welchem Zeitpunkt tatsächlich anschließen werden. Für die Umsetzung sieht der Bericht zwei Optionen vor:
  • Option 1 – In dem jeweiligen Land ansässige „Tested parties“ können das Amount B-Verfahren wählen.
  • Option 2 - Ein Land kann die Anwendung des „vereinfachten und verschlankten Verfahrens“ durch seine Finanzverwaltung und die in diesem Gebiet ansässigen „Tested parties“ verbindlich regeln, so dass die Finanzverwaltung festlegen kann, dass Steuerpflichtige den „Amount B-Ansatz“ anzuwenden haben, wenn dessen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, und die Finanzverwaltung verpflichtet ist, diesen unter ähnlichen Umständen anzuwenden.

Anwendungsvoraussetzungen

Nicht alle Vertriebsgesellschaften kommen für den „Amount B-Ansatz" in Frage. Der Vertrieb digitaler Waren, von Rohstoffen und Dienstleistungen fällt nicht in den Anwendungsbereich. In den Anwendungsbereich fallende Vertriebsgesellschaften sollten beispielsweise keine einzigartigen und wertvollen immateriellen Vermögensgegenstände besitzen oder bestimmte wirtschaftlich bedeutsame Risiken tragen. Der „vereinfachte und verschlankte Ansatz“ erlaubt es Vertriebsgesellschaften andere als Vertriebstransaktionen durchzuführen, wenn diese separiert und gemäß den allgemeinen Grundsätzen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien angemessen bewertet und verlässlich bepreist werden können. Des Weiteren erlaubt er die Durchführung von Einzelhandelsverkäufen innerhalb bestimmter Grenzen.

In der Regel wird beim „Amount B-Ansatz" die transaktionsbezogene Nettomargenmethode als die am besten geeignete Verrechnungspreismethode angesehen. Die Ermittlung der Umsatzrendite erfordert jedoch einen dreistufigen Prozess für eine Vertriebsgesellschaft, die in den Anwendungsbereich fällt, um eine Näherung an ein fremdvergleichskonformes Ergebnis zu ermöglichen. Der Preisfindungsrahmen des „Amount B-Ansatzes" sieht hierzu als Kernelement eine Renditematrix vor, die Verhältniskennzahlen auf Basis des Betriebsvermögens (net operating asset intensity, OAS), der betrieblichen Aufwendungen (operating expense intensity, OES) und Branchengruppen berücksichtigt. 

Dieser Matrix zufolge kann eine Umsatzrendite zwischen 1,50% und 5,50% plus / minus 0,5 Prozentpunkte als „fremdübliche Gewinnspanne" angesehen werden. Darüber hinaus muss eine vierstufige Verprobung der betrieblichen Aufwendungen durchgeführt werden (die zu Anpassungen führt, wenn das Ergebnis eine Ober- / Untergrenze übersteigt bzw. unterschreitet); bei „Tested parties“ in bestimmten Ländern  kommen möglicherweise Anpassungen und ein Datenverfügbarkeitsmechanismus zur Anwendung (was zu weiteren Anpassungen führen kann). Laut OECD werden alle erforderlichen Daten regelmäßig aktualisiert.

(Vermeidung von) Steuerstreitigkeiten

Ähnlich wie bei anderen in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien enthaltenen Wahlrechten ist das Ergebnis, das im Rahmen des „Amount B-Ansatzes" von einem Land, das sich für die Anwendung dieses Ansatzes auf qualifizierte Transaktionen einer ansässigen „Tested party“ entschieden hat, ermittelt wird, für das Land der Gegenpartei, in dem das verbundene Unternehmen, das an der kontrollierten Transaktion beteiligt ist, seinen Sitz hat, nicht bindend.

Dem Bericht zufolge verpflichten sich die Mitglieder des Inclusive Framework jedoch vorbehaltlich ihrer inländischen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken, das im Rahmen des „vereinfachten und verschlankten Ansatzes“ für in den Anwendungsbereich fallende Transaktionen ermittelte Ergebnis zu respektieren, wenn dieser Ansatz von einem Land mit niedriger Kapazität angewandt wird, und alle angemessenen Schritte zu unternehmen, um eine potenzielle Doppelbesteuerung zu vermeiden, die sich aus der Anwendung dieses Ansatzes durch ein Land mit niedriger Kapazität ergeben könnte, wenn ein bilaterales Steuerabkommen zwischen den betreffenden Ländern in Kraft ist. Das Inclusive Framework wird an der Umsetzung dieser Verpflichtung im Jahr 2024 arbeiten, unter anderem durch die Entwicklung von Vereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden, die im Rahmen bilateraler Steuerabkommen verwendet werden könnten, wobei beide Ziele bilateraler Steuerabkommen, die Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung, berücksichtigt werden. Das Inclusive Framework soll sich 2024 auf die Gestaltungselemente und die Liste der Länder mit niedriger Kapazität einigen, für die diese Verpflichtung gilt.

Bewertung und nächste Schritte

Es ist fraglich, ob der „Amount B-Prozess" nicht nur die Diskussion mit den Steuerbehörden über die Ergebnisse von Benchmark-Studien auf die Diskussion mit den Steuerbehörden über in den Anwendungsbereich fallende Vertriebsgesellschaften und die Berechnung und Anwendung der anzuwendenden Margen verlagern wird. Uneinigkeit scheint darüber zu herrschen, welche Länder den „vereinfachten und verschlankten Ansatz" anwenden werden. Indien und einige andere Länder haben ihre Vorbehalte gegen den Bericht geäußert (und sind nicht in der Liste der in Frage kommenden Länder zu finden), während die USA Amount B-Regelungen wünschen, die einen möglichst weiten Anwendungsbereich haben, verbindlich, klar und objektiv sind. 

Für multinationale Unternehmen, zu denen Tochtergesellschaften gehören, die in erheblichem Umfang an Vertriebsaktivitäten beteiligt sind, ist es wichtig zu verstehen, ob der „Amount B-Prozess" anwendbar wäre und, falls ja, welche steuerlichen Auswirkungen sich daraus ergeben. Derzeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einführung des Amount B zusätzliche Arbeit verursachen würde, da multinationale Unternehmen weiterhin Benchmark-Studien für Vertriebsgesellschaften in bestimmten Ländern durchführen und parallel dazu den „Amount B-Ansatz“ in anderen Ländern anwenden müssten. Bitte zögern Sie nicht, uns zu anzusprechen, wir beraten Sie gerne. 

1 https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-one-amount-b-21ea168b-en.htm („Bericht”)
2 Vgl. S. 6 Bericht
3 https://www.oecd.org/tax/beps/statement-covered-jurisdiction-definition-inclusive-framework-commitment-amount-b.pdf
4 Tabelle 5.1, S. 27 ff. Bericht
5 Die Liste der „qualifying jurisdictions“ wurde am 17. Juni 2024 veröffentlicht und enthält mehr als 130 Einträge, vgl. https://www.oecd.org/tax/beps/statement‐qualifying‐jurisdiction‐definitions‐section‐5‐2‐section‐5‐3‐simplified‐streamlined‐approach.pdf