1. Unionsrechtlicher Hintergrund und Zielsetzung
Die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (engl.
Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) ist eine EU-Verordnung, die den gesamten Lebenszyklus von Verpackungen aller Materialien im Blick hat: (Verhinderung der) Inverkehrbringung, Erhöhung des Anteils recycelter Stoffe, Förderung von Mehrweg, Designvorgaben und Abfallmanagement. Die PPWR, mit der die bestehenden Richtlinien und Verordnungen geändert oder aufgehoben werden, ist eine Weiterentwicklung der Erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, ERP). Die Verordnung zielt darauf ab, die negativen Auswirkungen von Verpackungen auf die Umwelt zu minimieren. Zur Verringerung ihres ökologischen Fußabdrucks sollen Hersteller sowie Vertreiber von Verpackungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet werden, ihre Ressourcenverbräuche und Verpackungsabfälle zu reduzieren sowie die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Wenngleich die Verordnung auch Passagen beinhaltet, die Einwegkunststofffondsprodukte betreffen, ist es begrifflich wichtig zu beachten, dass die PPWR eine von der aktuell ebenfalls in Rede stehenden EU-Plastiksteuer sowie des
EWKFondsG unabhängige Verordnung darstellt.
2. Status Quo der Neuregelung
Am 4. März 2024 haben sich EU-Rat und EU-Parlament auf eine vorläufige Fassung der PPWR im EU-Binnenmarkt geeinigt. Die Verordnung bedurfte allerdings noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und aller EU-Mitgliedstaaten, um formal abschließend verabschiedet zu werden. Die Zustimmung erfolgte am 24. April 2024. Mit klarer Mehrheit hat das EU-Parlament am 24. April 2024 die PPWR angenommen. Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, muss es vom Europäischen Rat förmlich genehmigt werden.
3. Charakter der Neuregelung
Mit der PPWR werden bestehende Regularien geändert oder angepasst. Die Besonderheit besteht darin, dass die bestehenden Regularien in Form von Richtlinien (z. B. EU-Verpackungsrichtlinie 94/62/EG oder Einwegkunststoff-Richtlinie (EU) 2019/904) vorliegen, die durch eine Verordnung („Regulation“) ersetzt oder modifiziert werden. An die Stelle von Richtlinien, die in ihrer derzeitigen Form jeweils lediglich den Rahmen für die nationalen Gesetzesumsetzungen in den EU-Mitgliedsstaaten bilden, wird die PPWR als Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten grundsätzlich ohne weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten geltendes Recht. Die EU-Kommission sieht sich zu diesem verschärften Schritt gezwungen, um die gesetzten Ziele des Green Deals erreichen zu können, da die bestehenden Richtlinien von den Mitgliedstaaten entweder nicht, nicht vollständig oder nur schleppend umgesetzt worden sind.
4. Geplante Maßnahmen
Die PPWR sieht einen umfangreichen Katalog an Maßnahmen vor, um das gesetzte Ziel zu erreichen, Kunststoffverpackungen und -abfälle bis 2030 signifikant zu verringern. Betroffen von diesen Maßnahmen sind sowohl EU-ansässige Unternehmen als auch Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten, die Verpackungen in die EU einführen. Die Maßnahmen reichen von Verboten bestimmter Verpackungen über bestimmte Mindestanforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen bis Förderung von Mehrweglösungen für Verpackungen.
Im Wesentlichen sieht die PPWR folgende Maßnahmen vor:
- Reduzierung von Verpackungen (5% bis 2030, 10% bis 2035 und 15% bis 2040)
- Verbot von Einwegbehältern bis 2030 im Hotel/Restaurant/Catering-Sektor (kurz: HORECA) (Flaschen, Bodylotions usw.) und im Lebensmittelsektor (Obst, Gemüse, Soßen, Zucker usw.)
- Mindestanteil an recyceltem Material in Kunststoffverpackungen (z. B. PET Flaschen 30% in 2030, 50% in 2040)
- Jede einzelne Verpackung muss ab 2030 recycelbar sein
- Einführung eines Pfand- und Rücknahmesystems (DRS) bis 2029 für Kunststoff-Getränkeverpackungen (<3 Liter)
- Harmonisierung der Umweltkennzeichnung auf europäischer Ebene
- Harmonisierung der EPR-Richtlinie (Erweiterte Herstellerverantwortung)
5. Praxishinweis
Der festgesetzte Zeitraum von 18 Monaten zwischen dem Inkrafttreten und der Anwendung der PPWR sowie die drohende Verzögerung als Folge der bevorstehenden Europawahl lassen vermuten, dass die Folgen der Verordnung nicht unmittelbar bevorstehen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der latent vorhandene Druck, den Anpassungen und Änderungen in der betrieblichen Praxis nachzukommen, schnell und deutlich zunimmt. Einen Branchenfokus wie das
EWKFondsG im Foodbereich kennt die PPWR nicht. Je mehr branchenübergreifende Modifikationen mit der PPWR einhergehen, in der Form, dass Zählungen / Reportings erforderlich werden, die es bisher nicht gab, dass Produktfortfolien und Prozesse zu adjustieren sind und dass Registrierungen und Meldungen nachzukommen ist, desto früher ist der Umstellungsprozess einzuleiten. Betroffene Unternehmen, deren Anzahl wegen des umfassenden Ansatzes der Verordnung und deren vernehmbar strikter geplanten Umsetzung größer als bisher sein wird, sollten das Thema „PPWR“ daher rechtzeitig angehen und projektieren, sobald vollständige Klarheit über den Rechtsrahmen besteht.