Governance: Zu wenig ESG-Kompetenz in Aufsichtsräten der DACH-Region?
Governance: Zu wenig ESG-Kompetenz in Aufsichtsräten der DACH-Region?
- 91 % der Unternehmen berücksichtigen ESG-relevante Ziele in Vorstandsvergütun
- Nur rund die Hälfte berichtet ESG-Bezug in Kompetenzprofilen ihrer Aufsichtsräte
- Mehr als drei Viertel wählen ihre Lieferanten unter ESG-Gesichtspunkten aus
- Nur eins von achtzig Unternehmen berichtet zu Zahlungspraktiken gegenüber Lieferanten
„Die Integration von Nachhaltigkeit in ihre strategische Ausrichtung ist für Unternehmen von elementarer Bedeutung. Das wird immer deutlicher. Aufsichtsräte sollten dabei Impulse geben und den Transformationsprozess wachsam begleiten. Es zeigt sich jedoch immer wieder, dass dieser Verantwortung bislang noch zu wenig nachgekommen wird,“ so Dr. Jan-Ole Brandt, Senior Consultant ESG/Sustainability bei Kirchhoff Consult und Co-Autor der Studie. „Ein möglicher Grund dafür ist der Mangel an ESG-relevanten Kompetenzprofilen und praktischer Nachhaltigkeitserfahrung auf Seite der Aufsichtsräte“, erklärt Brandt.
ESG in Governance-Strukturen und Risikomanagement fest verankert
Mit 86 % ist bereits bei einem Großteil der untersuchten Unternehmen das Thema ESG auf der Vorstandsebene verankert. Die DAX40-Unternehmen bleiben dabei mit 83 % leicht hinter denen aus ATX (90 %) und SMI (90 %) zurück. Ähnlich sieht es bei der Erklärung der Sorgfaltspflicht aus: Im Rahmen ihrer Berichterstattung zum Geschäftsjahr 2023 veröffentlichten mit 95 % nahezu alle untersuchten Unternehmen diese Erklärung und decken damit bereits einen Pflichtpunkt der künftigen ESRS-basierten Nachhaltigkeitsbericht ab. Auch im Risikomanagement scheinen die untersuchten Unternehmen bereits gut aufgestellt: Ein Großteil (91 %) berichtet über ein ESG-bezogenes Risikomanagementsystem und interne Kontrollen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Vorstände werden mehrheitlich unter Berücksichtigung von ESG-relevanten Zielen vergütet
„Ein wichtiger Treiber für die Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen auf der Führungsebene ist die Verknüpfung von Teilen der Managementvergütung mit ESG-relevanten Kennzahlen. Üblich sind dabei etwa die Entwicklung von Treibhausgasemissionen oder der Mitarbeiterzufriedenheit,“ so Philipp Schöneberg, Manager Sustainability Services bei BDO und Co-Autor der Studie. „Unsere Analyse zeigt, dass dies bereits in 91 % der untersuchten Unternehmen gelebte Praxis ist.“ Dabei sind die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr (88 %) weiter angestiegen. Im DAX40 berichteten für das Geschäftsjahr 2023 alle Unternehmen von ESG-KPIs in der Vorstandsvergütung (Vorjahr 98 %). Im SMI liegt der Wert unverändert bei 85 % und im ATX, mit einem Plus von zehn Prozentpunkten bei 80 %.
Mehrheit der DACH-Konzerne wählt Lieferanten unter ESG-Gesichtspunkten aus
Auch das Management der Beziehungen zu Lieferanten spielt für die nachhaltige Unternehmensführung eine entscheidende Rolle. Mehr als drei Viertel (76 %) der Unternehmen haben ihre Lieferanten im Berichtsjahr 2023 zumindest teilweise nach ökologischen und/oder sozialen Gesichtspunkten ausgewählt. Während im ATX sogar 90 % der Unternehmen über derartige Auswahlkriterien berichten, liegt der Wert für die DAX 40-Unternehmen bei 68 % und somit noch deutlich niedriger als im SMI (80 %). Im Branchenvergleich spielen ESG-Kriterien bei der Wahl von Lieferanten in den Branchen Automobil und Automobilzulieferer (57 %) sowie Pharmazeutika, Biotechnologie und Life Sciences (63 %) noch eine untergeordnete Rolle. „Die Integration nachhaltiger Prinzipien in die Lieferantenbeziehungen sind ein essenzieller Hebel, um ganzheitlich Verantwortung in der Wertschöpfungskette zu übernehmen und langfristig erfolgreich zu sein,“ erklärt Jan-Ole Brandt von Kirchhoff Consult.
ESRS G1 nimmt Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten stärker in die Pflicht
Die neue Studie zeigt außerdem eine signifikante Verschiebung in den Offenlegungsanforderungen für Unternehmen im Vergleich zur bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ein zentraler Aspekt dieser Veränderung ist die verstärkte Fokussierung auf die Verantwortung der Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die Offenlegungsanforderung G1-6 des ESRS G1 rückt dabei die Zahlungspraktiken in den Vordergrund. „Diese neue Anforderung markiert in gewisser Hinsicht einen Wendepunkt in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Von den untersuchten Unternehmen berichtete lediglich eins über seine durchschnittliche Anzahl in Tagen zur Begleichung einer Rechnung“, erklärt Philipp Schöneberg. „Die explizite Offenlegung von Zahlungspraktiken unterstreicht die wachsende Bedeutung fairer Geschäftsbeziehungen im Kontext der Nachhaltigkeit.“ Diese Entwicklung signalisiert eine relevante Veränderung der Berichtspraktiken und setzt neue Maßstäbe für die Transparenz in den Lieferantenbeziehungen.
Über die Studie
Die Studie „Governance – Reporting zur nachhaltigen Unternehmensführung“ ist der dritte Teil einer Studienserie, die Kirchhoff Consult und BDO gemeinsam veröffentlichen. Dabei wird die nichtfinanzielle Berichterstattung großer Aktiengesellschaften der deutschen, österreichischen und Schweizer Top-Indizes (DAX40, ATX und SMI) untersucht. Als Datengrundlage dienen deren Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte, die bis zum Stichtag des 31. März 2024 veröffentlicht wurden. Die erste Teilstudie trägt den Titel „Diversity – Reporting zur Vielfalt“, die zweite Teilstudie wurde unter dem Titel „Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung“ veröffentlicht.
Alle Ergebnisse dieser Untersuchung finden Sie hier in der vollständigen Studie „Governance – Reporting zur nachhaltigen Unternehmensführung“.