Unternehmen der DACH-Region verzögern Dekarbonisierung: Emissionsreduktion bleibt hinter Vorjahr

  • Top-Unternehmen aus DAX40, SMI und ATX haben absolute Emissionen um drei Prozent gesenkt, im Vorjahr waren es noch fünf Prozent
  • DAX40-Unternehmen zeigen gegenüber SMI und ATX die geringsten Reduktionen
  • Gesamtemissionen im Automotive-Bereich erhöhten sich sogar im Schnitt um neun Prozent
  • DAX40-Unternehmen ohne Klimastrategie steigern Gesamtemissionen um acht Prozent
  • EU-Taxonomie: Taxonomiekonformität korreliert bislang nicht eindeutig mit einer Reduktion der Treibhausgasemissionen der Unternehmen
     
Die großen Konzerne aus der DACH-Region befinden sich weiterhin auf Dekarbonisierungskurs. Jedoch hat das Tempo insgesamt nachgelassen und entspricht nicht dem, was für eine realistische 1,5°C-Perspektive erforderlich wäre. Das zeigt die Studie „Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung“ der Kirchhoff Consult und BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Für die Erhebung wurden die aktuellen Klimabilanzen analysiert, die von den Unternehmen aus den Top-Indizes DAX40, ATX und SMI für das Geschäftsjahr 2023 berichtet wurden und mit der Berichterstattung der Geschäftsjahre 2021 und 2022 verglichen.

Deutlich mehr als die Hälfte der untersuchten Unternehmen haben über die letzten drei Jahre hinweg eine umfassende Klimabilanz berichtet. In diesem Zeitraum konnten diese ihre absoluten Emissionen um acht Prozent – von 2021 bis 2022 um fünf Prozent und von 2022 bis 2023 um weitere drei Prozent – reduzieren. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 halbiert werden, was einer jährlichen Reduktion von über vier Prozent gegenüber 2019 entspricht.[1]
Bei der Emissionsreduktion zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Indizes, Branchen und Scopes. Während zum Bespiel die Unternehmen aus der Textilbranche deutliche Reduktionserfolge verzeichnet konnten (- 16 Prozent), erhöhten sich die Gesamtemissionen im Automotive-Bereich im Schnitt um neun Prozent.

Scope 3: höchste Emissionen,  geringste Reduktionen, aber größtes Potenzial
In Scope 1 konnten die Unternehmen mit umfassender Klimabilanz ihre Emissionen von 2021 bis 2023 um zwölf Prozent senken und in Scope 2 sogar um 20 Prozent, in Scope 3 jedoch nur um acht Prozent. „Dass die geringste relative Reduktion in Scope 3 erzielt werden konnte – dem Scope auf den 92 Prozent der Gesamtemissionen zurückgehen – macht deutlich, wie herausfordernd die Emissionsreduktion in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette ist. Gleichzeitig sehen wir in den Daten, dass ambitionierte Unternehmen auch bei herausfordernden Wertschöpfungsketten Erfolge in der Dekarbonisierung erzielen können“, sagt Dr. Jan-Ole Brandt, Senior Consultant ESG/Sustainability bei Kirchhoff Consult und Co-Autor der Studie. „Unterschiede zwischen Branchen lassen sich nicht allein an der Unterscheidung zwischen typisch ‚grünen‘ und ‚braunen‘ Branchen festmachen, wie das Beispiel der Textilbranche zeigt. Die Verankerung in der Strategie und transparente Kommunikation scheinen ebenso einen klaren Einfluss auf die Reduktionsergebnisse zu haben“, ergänzt Brandt.

Dass ein hohes Maß an Ambition zu Erfolgen in der Emissionsreduktion führt, legt folgende Korrelation nahe: 17,5 Prozent der Unternehmen aus dem DAX40 haben keine Klimastrategie veröffentlicht und weisen einen durchschnittlichen Anstieg ihrer Gesamtemissionen um acht Prozent auf. Alle anderen Unternehmen haben im Schnitt deutliche Reduktionen erzielt (-9 Prozent).

EU-Taxonomie: Taxonomiekonformität führt bislang nicht nachweisbar zu Reduktionserfolgen
Ein hohes Ambitionsniveau und strategische Ansätze, die Früchte tragen, sind gute Voraussetzungen für Dekarbonisierungserfolge. Theoretisch müsste sich dies auch in Angaben zur EU-Taxonomie widerspiegeln. Doch nur 34 von 46 Unternehmen, die alle entsprechend der Gesetzgebung zu ihrer Taxonomiefähigkeit berichten, haben auch taxonomiekonforme Tätigkeiten nachweisen können. Der Grad taxonomiefähiger Umsätze, Investitionen oder Betriebsausgaben drückt sich zudem meist nur in Extremwerten nahe 100 Prozent oder 0 Prozent aus. Jedoch haben Unternehmen keinen Einfluss darauf, ob ihr Geschäftsmodell beziehungsweise die branchenspezifischen Wirtschaftsaktivitäten explizit durch die Taxonomie abgedeckt sind. Auch hinsichtlich Taxonomiekonformität lässt sich nur eine Mischung aus Extremwerten ausmachen, die zwischen Branchen und Unternehmen stark variieren. Und wo ein hohes Maß an Taxonomiekonformität auszumachen ist, lässt sich aktuell keine Korrelation zu einer entsprechenden Reduktion der Treibhausgasemissionen erkennen.

„Über eine Interpretation dieses bislang ausbleibenden Zusammenhangs lässt sich erstmal nur spekulieren. Gegebenenfalls ist es schlichtweg zu früh, als dass sich Taxonomiekonformität bereits in Reduktionserfolgen hinsichtlich der Treibhausgasemissionen ausdrückt. Zudem sind die Hürden der Taxonomiekonformitätskriterien hoch und komplex in der Umsetzung“, sagt Janina Seufert, Managerin Sustainability Services bei BDO und Co-Autorin der Studie.

Alle Ergebnisse dieser Untersuchung finden Sie hier in der vollständigen Studie.


Über die Studie
Die Studie „Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung “ ist der zweite Teil einer Studienserie, die Kirchhoff Consult und BDO gemeinsam veröffentlichen. Dabei wird die nichtfinanzielle Berichterstattung großer Aktiengesellschaften der deutschen, österreichischen und Schweizer Top-Indizes (DAX40, ATX und SMI) untersucht. Als Datengrundlage dienen deren Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte, die bis zum Stichtag des 31. März 2024 veröffentlicht wurden. Die erste Teilstudie trägt den Titel „Diversity – Reporting zur Vielfalt“.
 
[1] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)