Britische Remittance Basis-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung
Britische Remittance Basis-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung
Eine sog. Vorzugsbesteuerung i.S.d. deutschen Außensteuerrechts ist anzunehmen, wenn die Einkommensteuerbelastung der oder des ins Ausland verzogenen Steuerpflichtigen gegenüber dem dortigen allgemeinen Besteuerungssystem aufgrund persönlicher Ansässigkeitsmerkmale erheblich gemindert ist. Handelt es sich dabei um eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren mindestens fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, ihren dortigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt – allerdings unter Beibehaltung ihrer wesentlichen wirtschaftlichen Interessen – aufgibt und in einem sog. Niedrigsteuerstaat ansässig wird, unterliegt sie in Deutschland der sog. erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht. Danach sind alle Einkünfte im Bereich des deutschen Einkommensteuergesetzes steuerpflichtig, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind. Dies gilt für das Wegzugsjahr und die darauffolgenden zehn Jahre. Von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden in der Praxis vor allem Zinsen erfasst, da sie im Rahmen der einfachen beschränkten Steuerpflicht bei fehlender dinglicher Sicherung nicht zu den inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG gehören. Zudem können im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht die Wirkungen des sog. Progressionsvorbehalts zur Geltung kommen.
Ein Anwendungsfall einer niedrigeren Besteuerung im Rahmen der Vorzugsbesteuerung kann die sog. Remittance Basis-Besteuerung sein, bei der im Ausland erzielte Einkünfte im Ansässigkeitsstaat nicht besteuert werden, es sei denn, sie werden ins Inland überwiesen. Die Inanspruchnahme der britischen Remittance Basis-Besteuerung setzt den sog. „resident“-Status voraus, der im Wesentlichen an einer physischen Präsenz in sowie anhaltender Bindung zum Vereinigten Königreich festgemacht wird. Unterhält die oder der Steuerpflichtige darüber hinaus im Vereinigten Königreich ihren bzw. seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen („ordinarily resident“) und hat dort zugleich ihre bzw. seine Heimat oder Wahlheimat („domiciled“), kann die britische Remittance Basis-Besteuerung indes nicht in Anspruch genommen werden. Die deutsche Finanzverwaltung qualifiziert die britische Remittance Basis-Besteuerung daher seit 2004 als Vorzugsbesteuerung i.S.d. deutschen Außensteuerrechts.
Sowohl das FG München mit Urteil vom 26.03.2021 (Az. 8 K 883/17) als auch der BFH mit Urteil vom 14.01.2025 (Az. IX R 37/21) bestätigten diese Auffassung für das Streitjahr 2006, gerade auch im Hinblick auf bezogene Kapitaleinkünfte von einer in Deutschland ansässigen Bank, die die Steuerpflichtige im Streitfall nicht in das Vereinigte Königreich überwies. Das deutsche Finanzamt bezog diese Einkünfte daher zu Recht in die steuerliche Bemessungsgrundlage nach Maßgabe der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ein.
Die Regelungen zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht, insbesondere zur sog. Vorzugsbesteuerung i.S.d. deutschen Außensteuerrechts, sind nach BFH-Auffassung zudem mit den deutschen verfassungsrechtlichen Grundsätzen und den unionsrechtlichen Grundfreiheiten vereinbar.
Hinweis:
Obwohl die britische Remittance Basis-Besteuerung zum 06.04.2025 abgeschafft und durch die sog. Foreign Income and Gains-Besteuerung ersetzt wird, dürften die Aussagen im aktuellen BFH-Urteil für offene Fälle und andere Länder mit ähnlichen Besteuerungsoptionen wie bspw. Irland, Malta und Zypern noch große Bedeutung haben.
Die britische Neuregelung sieht u.a. vor, dass berechtigte Personen nur mit ihren im Vereinigten Königreich erzielten Einkünften und Gewinnen besteuert werden. Für ihre ausländischen Einkünfte und Gewinne können sie eine vollständige Steuerbefreiung geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob diese ins Vereinigte Königreich überwiesen werden oder nicht. Diese Behandlung gilt für die ersten vier Steuerjahre, in denen eine natürliche Person im Vereinigten Königreich ansässig ist und zudem dort vorher für zehn aufeinanderfolgende Jahre kein Wohnsitz bestand.
Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Finanzverwaltung dieses neue Besteuerungsregime ebenfalls als sog. Vorzugsbesteuerung i.S.d. deutschen Außensteuerrechts einordnen wird. Hierbei könnte der Aspekt der zeitlich begrenzten Vergünstigung von nur vier Jahren zu berücksichtigten sein, weshalb möglicherweise weniger vermögende Zuwanderer als bisher zum Umzug ins Vereinigte Königreich zu bewegen wären.