Steuerfortentwicklungsgesetz und Freistellung des Existenzminimums

Steuerfortentwicklungsgesetz und Freistellung des Existenzminimums

Die Bundesregierung hat die Entwürfe für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs („Steuerfortentwicklungsgesetz“) und für ein Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 beschlossen – der Referentenentwurf trug noch den Titel „Zweites Jahressteuergesetz 2024“. Wir möchten Sie über die wesentlichen bisher vorgesehenen Änderungsvorhaben, die thematisch nicht oder nur partiell miteinander verbunden sind, informieren.

Einkommensteuer

Sammelpostenabschreibung

Für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, soll künftig ein Sammelposten für die Pool-Abschreibung gem. § 6 Abs. 2a EStG u.a. im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung gebildet werden können, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut EUR 800 (bisher: EUR 250), aber nicht EUR 5.000 (bisher: EUR 1.000) übersteigen. Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden zwei (bisher: vier) Wirtschaftsjahren gleichmäßig gewinnmindernd aufzulösen.

Mit Anhebung der unteren Betragsgrenze von EUR 250 auf EUR 800 kann somit künftig für ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, das einer selbständigen Nutzung fähig ist und dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten EUR 800 nicht übersteigt, die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs. 2 EStG geltend gemacht werden. Die Aufwendungen für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut EUR 800, aber nicht EUR 5.000 überschreiten, können weiterhin in einen Sammelposten eingestellt und typisierend über drei Jahre aufgelöst werden. Dadurch überschneiden sich beide Methoden künftig nicht mehr, sondern ergänzen sich gegenseitig.

Die Wirtschaftsgüter, die in einem Sammelposten zusammengefasst werden, müssen nicht mehr in einem gesonderten Verzeichnis, sondern lediglich buchmäßig erfasst werden.

Degressive Abschreibung

Die degressive Abschreibung gem. § 7 Abs. 2 EStG soll für im Zeitraum 2025 bis 2028 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens fortgeführt und auf das Zweieinhalbfache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes, höchstes 25 %, angehoben werden.

Grundfreibetrag, Kinderfreibetrag und Kindergeld

Nach Aktualisierung der Datenbasis infolge der höheren Fortschreibung der sozialrechtlichen Regelbedarfe ergibt sich für das Jahr 2024 ein Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern. Es sind daher rückwirkend eine Anhebung des im Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags um EUR 180 auf EUR 11.784 sowie eine Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags um EUR 228 auf EUR 6.612 vorgesehen. Die lohnsteuerliche Berücksichtigung soll allerdings erst im Rahmen der Lohn-, Gehalts- bzw. Bezügeabrechnung für Dezember 2024 erfolgen.

Der Grundfreibetrag soll darüber hinaus für 2025 um weitere EUR 300 auf EUR 12.084 und für 2026 um weitere EUR 252 auf EUR 12.336 angehoben werden. Damit einhergehend sollen mit Ausnahme des Eckwerts der sog. „Reichensteuer“ sowohl die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs als auch die Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2025 und ab 2026 angepasst werden.

Der steuerliche Kinderfreibetrag soll für den Veranlagungszeitraum 2025 um EUR 60 auf EUR 6.672 und ab dem Veranlagungszeitraum 2026 um weitere EUR 156 auf EUR 6.828 erhöht werden. Das Kindergeld soll mit Wirkung zum 01.01.2025 um EUR 5 auf EUR 255 pro Kind und Monat sowie mit Wirkung zum 01.01.2026 um weitere EUR 4 auf EUR 259 pro Kind und Monat angehoben werden. Mit Wirkung zum 01.01.2026 soll ferner gesetzlich verankert werden, dass Kinderfreibetrag und Kindergeld weiterhin zeitgleich steigen.
Zusammenstellung der geplanten Anpassungen:
Alle Werte in EUR.
 
  2024
(bisher)
2024
(neu)
2025 2026
Grundfreibetrag 11.604 11.784 12.084 12.336
Kinderfreibetrag 6.384 6.612 6.672 6.828
Kindergeld
pro Kind und Monat
250 250 255 259

Für die exakte Bestimmung des notwendigen Erhöhungsbedarfs sowohl betreffend den Grund- als auch den Kinderfreibetrag für die Jahre 2025 und 2026 ist noch der voraussichtlich im Herbst 2024 bekannt werdende 15. Existenzminimumbericht abzuwarten, sodass sich die diesbezüglich bisher bezifferten Beträge ggf. noch einmal ändern können.

Faktorverfahren

Es ist die Überführung der Steuerklassen III und V in die Steuerklasse IV mit Faktor vorgesehen. Konkret soll dazu für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in die Steuerklassen III oder V eingestuft sind, automatisiert ein Faktor anhand der zu einem noch festzulegenden Umstellungsstichtag vorliegenden Daten aus den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen gebildet werden. Dieser Faktor soll dann den Arbeitgebern ab dem darauffolgenden Kalenderjahr anstelle der Steuerklassen III oder V für den Lohnsteuerabzug zum Abruf bereitgestellt werden. Ehegatten und Lebenspartner, die zu diesem Umstellungszeitpunkt in die Steuerklassenkombination IV/IV eingereiht sind, können diese beibehalten oder alternativ das Faktorverfahren wählen. Ein Wechsel vom Faktorverfahren in die Steuerklassenkombination IV/IV (ohne Faktor) soll auch weiterhin auf Antrag eines Partners möglich sein. Der Start des neuen Verfahrens ist aktuell für das Jahr 2030 geplant.

Eine Änderung des Splitting-Verfahrens für Ehe- und Lebenspartner ist mit diesen Maßnahmen nicht verbunden und mit der Reform auch nicht vorgesehen.

Abgabenordnung

Mittelverwendung steuerbegünstigter Körperschaften

Die bisher in § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO geregelte Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung bei steuerbegünstigten Körperschaften soll zum 01.01.2025 abgeschafft werden. Eine Mittelverwendungsrechnung ist dann nicht mehr erforderlich.

Die allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere der Grundsatz der Ausschließlichkeit nach § 56 AO, bleiben unberührt und stellen weiter sicher, dass es zukünftig nicht zur Entstehung von steuerbegünstigten Körperschaften kommt, die angesparte Mittel nicht zur nachhaltigen Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke verwenden.

Politische Betätigung steuerbegünstigter Körperschaften

Es soll künftig mit einer neuen Nr. 11 im Katalog des § 58 AO klargestellt werden, dass steuerbegünstigte Körperschaften auch zu tagespolitischen Themen Stellung beziehen dürfen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden. Die Äußerungen müssen aber aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung insgesamt untergeordnet sein.

Photovoltaikanlagen als Zweckbetrieb

Der Begriff der in § 68 Nr. 2 Buchstabe b) AO genannten Selbstversorgungseinrichtung soll zum 01.01.2025 um Photovoltaikanlagen ergänzt werden. Damit wären sie steuerbegünstigte Zweckbetriebe.

Für Photovoltaikanlagen, deren Betrieb nicht in den Anwendungsbereich der ertragsteuerlichen Befreiungsvorschrift gem. § 3 Nr. 72 EStG fällt, soll dies nur gelten, wenn sie – wie andere Selbstversorgungseinrichtungen auch – überwiegend, d.h. zu mindestens 80 %, eigengenutzt werden. Bei Photovoltaikanlagen, mit denen ausschließlich nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Einnahmen und Entnahmen erzielt werden, gilt die 80 %-Grenze nicht. Sie gelten auch dann als steuerbegünstigte Zweckbetriebe, wenn der erzeugte Strom beispielsweise nur zu 50 % eigengenutzt wird.

Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen

Mit den neuen §§ 138l bis 138n AO wird nach dem Scheitern eines entsprechenden Gesetzesvorhabens im Rahmen des sog. Wachstumschancengesetzes erneut der Versuch unternommen, eine Pflicht zur Mitteilung bestimmter innerstaatlicher Steuergestaltungen einzuführen. Es ist dabei - soweit möglich – eine enge Orientierung an die gesetzlichen Bestimmungen zur Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach den §§ 138d bis 138h AO vorgesehen.

Der erstmalige Anwendungszeitpunkt der neuen Mitteilungspflicht soll durch ein BMF-Schreiben mindestens ein Jahr zuvor bekannt gemacht werden, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Kalenderjahren nach Inkrafttreten des Gesetzes greifen. Wenn das Gesetz noch im Jahr 2024 in Kraft tritt, wäre das der 31.12.2028.

Forschungszulagengesetz

Bei der Forschungszulage soll die maximale Bemessungsgrundlage für nach dem 31.12.2024 entstandene förderfähige Aufwendungen auf EUR 12 Mio. (bisher EUR 10 Mio.) angehoben werden.