Übertragung einer § 6b-Rücklage und Auswirkungen auf das Kapitalkonto
Übertragung einer § 6b-Rücklage und Auswirkungen auf das Kapitalkonto
Ob und in welcher Höhe Verluste von Kommanditisten ausgleichsfähig oder nur verrechenbar sind, hängt vom jeweiligen Kapitalkonto im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG ab. Eine gesetzliche Definition besteht allerdings nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei neben der Gesamthandsbilanz auch die jeweilige Ergänzungsbilanz zu berücksichtigen, in welcher der Mehr- oder Minderaufwand von Gesellschaftern gegenüber dem in der Gesamthandsbilanz ausgewiesenen Aufwand abgebildet wird. Mit Urteil vom 12.12.2024 (Az. IV R 24/22) entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass eine sich bei der Wahlrechtsausübung nach § 6b EStG ergebende negative Ergänzungsbilanz auch bei einer rechtsträgerübergreifenden Übertragung der gebildeten Rücklage zu berücksichtigen ist.
Im entschiedenen Fall erzielte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Jahr 1997 einen Gewinn aus der Veräußerung einer Immobilie. Für diesen bildete sie in ihrer Gesamthandsbilanz eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG. Ein Gesellschafter der GbR war zudem alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG. In deren Gesamthandsvermögen befand sich ein ab dem Jahr 2001 bebautes Grundstück. Die GbR übertrug in den Jahren 2001/2002 den 1997 erzielten und mit der nach § 6b EStG gebildeten Rücklage neutralisierten Veräußerungsgewinn anteilig auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des bebauten Grundstücks. Dies führte bei der GmbH & Co. KG zu entsprechenden Minderungen der Bilanzwerte für den Grund und Boden bzw. das darauf errichtete Gebäude. Die gegenläufigen Buchungen erfasste die GmbH & Co. KG auf dem „Kapitalkonto IV Rücklage 6b EStG“ (Sonderkonto), das zum 31.12.2002 einen negativen Saldo auswies. Im Streitjahr 2006 wurde ein laufender Gesamthandsverlust festgestellt, dessen auf den Gesellschafter entfallender Anteil nach Auffassung des Finanzamts der Verlustverwertungsbeschränkung des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG unterlag. Denn die Übertragung der stillen Reserven der GbR auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grundstücks der GmbH & Co. KG habe zu einer Minderung des insoweit relevanten Kapitalkontos geführt. Der BFH bestätigte dies.
Nach den Grundsätzen, dass beim Kapitalkonto im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG auch Ergänzungsbilanzen zu berücksichtigen sind, führen nicht nur Einlagen oder Entnahmen zu einer Veränderung des relevanten steuerlichen Kapitalkontos, sondern auch der in der Steuerbilanz erfasste Mehr- oder Minderaufwand von Gesellschaftern. Gleichzeitig bekräftigte der BFH, dass bei der Berechnung des (negativen) Kapitalkontos stille Reserven nicht zu berücksichtigen sind. Dies gilt nicht nur für im Betriebsvermögen gebildete und nicht aufgedeckte, sondern auch für aufgedeckte und nach § 6b EStG wieder abgezogene stille Reserven. Dies ist gerechtfertigt, da sich die durch Ausübung des Wahlrechts nach § 6b EStG eintretende Steuerfreistellung eines Veräußerungsgewinns nicht zweifach auswirken darf.
Macht der Kommanditist von der Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG rechtsträgerübergreifend Gebrauch, wirkt sich dies sowohl auf die Steuerbilanz der übertragenden wie der reinvestierenden Gesellschaft aus. Bei der übertragenden Personengesellschaft werden die stillen Reserven dem Kapitalkonto der aufzustellenden Bilanz erfolgsneutral hinzugerechnet; bei der reinvestierenden (übernehmenden) Personengesellschaft werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts erfolgsneutral zu Lasten des Kapitalkontos gemindert. Diese Minderung des Kapitalkontos entspricht den übergegangenen stillen Reserven, deren Aufdeckung und Besteuerung durch die Veräußerung des Grundstücks zunächst durch die Bildung der Rücklage bei der GbR und sodann durch deren Übertragung auf die GmbH & Co. KG verhindert worden ist. Der im Urteilsfall auf dem Sonderkonto erfasste Betrag dient wie eine Ergänzungsbilanz der Zuordnung eines Minderkapitals bzw. von Minderanschaffungskosten, um im Fall der späteren Veräußerung des Grundstücks die (Wieder-)Aufdeckung der in der Vergangenheit übertragenen und abgezogenen stillen Reserven dem Kommanditisten zuzuordnen. Deshalb sind diese Kapitalminderungen als Minderanschaffungskosten bei der Ermittlung seines Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG zu berücksichtigen.
Wurde mit Übertragung der Rücklage nach § 6b EStG das Kapitalkonto des Kommanditisten negativ, führen jenem zuzuordnende Verluste zu einer Erhöhung des Negativsaldos und sind deshalb nicht ausgleichsfähig, sondern nur verrechenbar.
Hinweis:
Eine mögliche andere Gestaltungsvariante liegt in der Veräußerung der Immobilie an die Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit sind aber je nach Verkehrswert und Veräußerungspreis besondere steuerliche Implikationen zu beachten, die womöglich zur Aufdeckung von stillen Reserven führen können. Eine unentgeltliche Übertragung der Immobilie als einzelnes Wirtschaftsgut zwischen den beiden Gesamthandsvermögen der GbR und der GmbH & Co. KG zum Buchwert (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG) schied im vorliegenden Fall aus, da hierfür eine bloße Beteiligtenidentität nicht ausreicht, die Regelung vielmehr eine Beteiligungsidentität voraussetzt.