Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung ausländischer Investmentfonds
Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung ausländischer Investmentfonds
Im Hinblick auf die Besteuerung von Investmentsfonds war bis Ende 2017 entscheidend, ob es sich um einen inländischen oder ausländischen Fonds handelte. Mit Wirkung ab 2018 ordnete der Gesetzgeber die entsprechenden Regelungen unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben im Investmentsteuerreformgesetz grundlegend neu. Seitdem werden alle Investmentfonds nach dem gleichen Prinzip versteuert. Nichtsdestotrotz hat - wie das nachfolgend beschriebene BFH-Urteil zeigt - die alte Rechtslage Nachwirkungen auf die zahlreichen ausländischen Fonds, deren Besteuerung noch nicht final abgeschlossen ist.
In seinem Urteil vom 13.03.2024 (Az. I R 1/20) entschied der BFH vorwiegend in Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.04.2023, Az. C-537/20), dass der Ausschluss ausländischer Fonds von den für inländische Fonds maßgebenden Regelungen des § 11 des Investmentsteuergesetzes in der jeweils für die Streitjahre 2008 bis 2013 geltenden Fassung (InvStG 2004) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und somit unionsrechtswidrig ist.
Ein in Frankreich ansässiger Fonds bezog im Streitfall Dividenden deutscher Kapitalgesellschaften, auf die zunächst 25% Kapitalertragsteuer zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag (in Summe 26,375%) einbehalten wurden. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Frankreich machte er den Steuererstattungsanspruch gemäß § 50d EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung geltend, sodass die Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 11,375 % erstattet werden konnten. Zudem beantragte er die Erstattung der verbliebenen 15 % Kapitalertragsteuer sowie die Verzinsung des Erstattungsanspruchs. Seiner Auffassung nach ist ein in Frankreich ansässiger Fonds mit einer vom Kapitalertragsteuerabzug befreiten inländischen Investmentaktiengesellschaft typengleich; die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen und deshalb nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz der Erstattungsanspruch gegeben. Darüber hinaus konnte die deutsche Kapitalertragsteuer wegen fehlender Besteuerung des Fonds in Frankreich nicht entsprechend den Vorschriften des DBA auf eine französische Steuer angerechnet werden.
Den Erstattungsantrag lehnte das zuständige Finanzamt ab. Eine etwaige unionsrechtliche Diskriminierung war aus der Sicht der Finanzverwaltung wegen des erforderlichen Aufrechterhaltens der Kohärenz des deutschen Steuersystems (hier: Steuerfreiheit des Investmentfonds und Besteuerung des Anlegers) gerechtfertigt. Der ausländische Fonds unterlag mit seinen inländischen Kapitaleinkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Eine persönliche Steuerbefreiung war nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift des § 11 Abs. 1 InvStG 2004 inländischen Fonds beziehungsweise inländischen Investmentaktiengesellschaften vorbehalten. Ebenfalls nur zugunsten inländischer Fonds anwendbar war damit § 11 Abs. 2 InvStG 2004, der die Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf die bezogenen Ausschüttungen anordnete. Die Finanzverwaltung stellte dabei auf die wohl nicht sichergestellte Besteuerung sämtlicher Einkünfte auf Ebene der Anleger der ausländischen Investmentfonds ab.
Aus unionsrechtlichen Gründen stand dem Fonds laut Entscheidung des BFH die Steuerbefreiung jedoch zu. Nach den vom BFH herangezogenen Ausführungen des EuGH ist die angenommene Besteuerung der Ausschüttungen auf der Anlegerebene im Fall von inländischen Investmentfonds insoweit nicht maßgeblich. Denn die Besteuerung sämtlicher Einkünfte auf Ebene ihrer Anleger stellte gemäß den deutschen Rechtsvorschriften keine Voraussetzung für die Befreiung der inländischen Fonds dar. Außerdem können an einem gebietsfremden Investmentfonds genauso inländische Anleger beteiligt sein.
Auch hätten inländischen Anleger von gebietsfremden Fonds im Vergleich zu inländischen Anlegern der gebietsansässigen Fonds je nach ihrer steuerlichen Situation benachteiligt werden können (z.B. Fondsanleger mit Verlustvorträgen, Fondsanleger mit Nichtveranlagungs-Bescheinigungen oder mit Kapitaleinkünften unterhalb des Sparer-Pauschbetrages, gemäß § 5 KStG steuerbefreite institutionelle Fondsanleger). Die deutschen Rechtsvorschriften machen die Befreiung der inländische Fonds nicht davon abhängig, dass sämtliche Einkünfte auf Ebene der Anleger besteuert werden. Eine systematische Besteuerung der inländischen Anleger des Inlandsfonds ohne Befreiungsmöglichkeit war damit nicht gegeben. Mithin lag nach Auffassung des EuGH eine grundsätzlich unzulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor. Diese war nicht verhältnismäßig. Als weniger einschränkende Maßnahme hätte den ausländischen Fonds die Steuerbefreiung unter der Bedingung der Besteuerung der Anleger gewährt werden können. Für eine mittelbare Zwangsbelastung der Fondsanleger gab es - wie zutreffend vom BFH ausgeführt - jedoch keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Das Tatbestandsmerkmal „inländisch“ des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 muss deshalb zugunsten des Klägers unbeachtet bleiben, während die Norm im Übrigen uneingeschränkt anwendbar ist. Die unter Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit erhobene Kapitalertragsteuer ist dem Kläger unter Erteilung eines Freistellungsbescheids bei Berücksichtigung der nationalen Vorschriften über die Festsetzungsverjährung zu erstatten.
In seinem Urteil vom 13.03.2024 (Az. I R 1/20) entschied der BFH vorwiegend in Anlehnung an die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.04.2023, Az. C-537/20), dass der Ausschluss ausländischer Fonds von den für inländische Fonds maßgebenden Regelungen des § 11 des Investmentsteuergesetzes in der jeweils für die Streitjahre 2008 bis 2013 geltenden Fassung (InvStG 2004) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und somit unionsrechtswidrig ist.
Ein in Frankreich ansässiger Fonds bezog im Streitfall Dividenden deutscher Kapitalgesellschaften, auf die zunächst 25% Kapitalertragsteuer zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag (in Summe 26,375%) einbehalten wurden. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Frankreich machte er den Steuererstattungsanspruch gemäß § 50d EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung geltend, sodass die Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 11,375 % erstattet werden konnten. Zudem beantragte er die Erstattung der verbliebenen 15 % Kapitalertragsteuer sowie die Verzinsung des Erstattungsanspruchs. Seiner Auffassung nach ist ein in Frankreich ansässiger Fonds mit einer vom Kapitalertragsteuerabzug befreiten inländischen Investmentaktiengesellschaft typengleich; die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen und deshalb nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz der Erstattungsanspruch gegeben. Darüber hinaus konnte die deutsche Kapitalertragsteuer wegen fehlender Besteuerung des Fonds in Frankreich nicht entsprechend den Vorschriften des DBA auf eine französische Steuer angerechnet werden.
Den Erstattungsantrag lehnte das zuständige Finanzamt ab. Eine etwaige unionsrechtliche Diskriminierung war aus der Sicht der Finanzverwaltung wegen des erforderlichen Aufrechterhaltens der Kohärenz des deutschen Steuersystems (hier: Steuerfreiheit des Investmentfonds und Besteuerung des Anlegers) gerechtfertigt. Der ausländische Fonds unterlag mit seinen inländischen Kapitaleinkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Eine persönliche Steuerbefreiung war nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift des § 11 Abs. 1 InvStG 2004 inländischen Fonds beziehungsweise inländischen Investmentaktiengesellschaften vorbehalten. Ebenfalls nur zugunsten inländischer Fonds anwendbar war damit § 11 Abs. 2 InvStG 2004, der die Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf die bezogenen Ausschüttungen anordnete. Die Finanzverwaltung stellte dabei auf die wohl nicht sichergestellte Besteuerung sämtlicher Einkünfte auf Ebene der Anleger der ausländischen Investmentfonds ab.
Aus unionsrechtlichen Gründen stand dem Fonds laut Entscheidung des BFH die Steuerbefreiung jedoch zu. Nach den vom BFH herangezogenen Ausführungen des EuGH ist die angenommene Besteuerung der Ausschüttungen auf der Anlegerebene im Fall von inländischen Investmentfonds insoweit nicht maßgeblich. Denn die Besteuerung sämtlicher Einkünfte auf Ebene ihrer Anleger stellte gemäß den deutschen Rechtsvorschriften keine Voraussetzung für die Befreiung der inländischen Fonds dar. Außerdem können an einem gebietsfremden Investmentfonds genauso inländische Anleger beteiligt sein.
Auch hätten inländischen Anleger von gebietsfremden Fonds im Vergleich zu inländischen Anlegern der gebietsansässigen Fonds je nach ihrer steuerlichen Situation benachteiligt werden können (z.B. Fondsanleger mit Verlustvorträgen, Fondsanleger mit Nichtveranlagungs-Bescheinigungen oder mit Kapitaleinkünften unterhalb des Sparer-Pauschbetrages, gemäß § 5 KStG steuerbefreite institutionelle Fondsanleger). Die deutschen Rechtsvorschriften machen die Befreiung der inländische Fonds nicht davon abhängig, dass sämtliche Einkünfte auf Ebene der Anleger besteuert werden. Eine systematische Besteuerung der inländischen Anleger des Inlandsfonds ohne Befreiungsmöglichkeit war damit nicht gegeben. Mithin lag nach Auffassung des EuGH eine grundsätzlich unzulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor. Diese war nicht verhältnismäßig. Als weniger einschränkende Maßnahme hätte den ausländischen Fonds die Steuerbefreiung unter der Bedingung der Besteuerung der Anleger gewährt werden können. Für eine mittelbare Zwangsbelastung der Fondsanleger gab es - wie zutreffend vom BFH ausgeführt - jedoch keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Das Tatbestandsmerkmal „inländisch“ des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 muss deshalb zugunsten des Klägers unbeachtet bleiben, während die Norm im Übrigen uneingeschränkt anwendbar ist. Die unter Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit erhobene Kapitalertragsteuer ist dem Kläger unter Erteilung eines Freistellungsbescheids bei Berücksichtigung der nationalen Vorschriften über die Festsetzungsverjährung zu erstatten.
Hinweis:
Der BFH-Urteil gesteht dem ausländischen Investmentfonds darüber hinaus ein auf das Unionsrecht gestützten Anspruch auf Verzinsung der Erstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Steuern zu. Der Zinssatz bestimmt sich dabei grundsätzlich nach dem nationalen Recht. Der Kläger hat gemäß § 236 AO ab Rechtshängigkeit seiner Klage generell einen Anspruch auf Prozesszinsen von 0,5 % pro Monat. Aufgrund der in den Streitjahren veränderten Rechtslage musste der BFH in Bezug auf die Dauer des Zinslauf jedoch zusätzlich differenzieren. Mehr zu den Einzelheiten der Verzinsung finden Sie im Insight “Das Erstattungsverfahren nach § 50c EStG – Bearbeitungszeit und Verzinsung“.