BMF äußert sich final zum Vorsteuerabzug bei jPöR unter Anwendung des § 2b UStG
BMF äußert sich final zum Vorsteuerabzug bei jPöR unter Anwendung des § 2b UStG
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit dem Schreiben vom 12. Juni 2024 wesentliche Anpassungen und Klarstellungen zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand veröffentlicht. Diese beziehen sich auf juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) und deren Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Das Schreiben basiert im Wesentlichen auf dem BMF-Entwurf vom 25.10.2022, dessen Umsetzung in eine Verwaltungs- anweisung von Kommunal- und Landesverantwortlichen bereits lange erwartet wurde. Die finale Version enthält im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf keine wesentlichen Änderungen.
Hintergrund
Die Neuerungen basieren auf den Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch das Steueränderungs- gesetz 2015. Hierbei wurde § 2 Abs. 3 UStG aufgehoben und die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 1 UStG ergänzt durch den § 2b UStG, der seit dem 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist. Die Übergangsregelungen, ursprünglich bis zum 1. Januar 2021 befristet, wurden mehrfach verlängert und gelten nun durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 bis zum 31. Dezember 2024. Jedoch sieht der aktuelle Regierungsentwurf des JStG 2024 eine weitere Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2026 vor.Inhalt des BMF-Schreibens vom 12.06.2024
Kernpunkt der neu veröffentlichten Verwaltungsanweisung ist die Abgrenzung der unternehmerischen von den nichtunternehmerischen Tätigkeiten der jPöR. Während unternehmerische Tätigkeiten der Umsatzsteuer unterliegen, bleiben nichtunternehmerische Tätigkeiten, insbesondere hoheitliche Tätigkeiten, die keine größeren Wettbewerbsverzerrungen verursachen, steuerfrei. Dies führt zu spezifischen Anforderungen an den Vorsteuerabzug, der bei einheitlichen, d.h. nichtteilbaren Leistungen, nur in Anspruch genommen werden kann, soweit die jPöR die Leistung vollständig unternehmerisch verwendet.Für die Praxis bedeutet dies, dass jPöR bei Eingangsleistungen sorgfältig zwischen unternehmerischer und nichtunternehmerischer Nutzung unterscheiden müssen. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen ist entscheidend für die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer. Fehlt dieser direkte Zusammenhang, kann unter Umständen auch ein mittelbarer Zusammenhang ausreichen. Über diesen sind jedoch nur solche Kosten abzugsfähig, die allgemeine Aufwendungen darstellen und im Rahmen der Preis- kalkulation in das Entgelt mit einfließen.
In der Praxis gibt es bei jPöR jedoch häufig Konstellationen, in denen die Eingangsleistung teilweise für unternehmerische Zwecke und teilweise für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird (sog. Teilunter- nehmerische Verwendung). Dazu urteilte der EuGH im Jahre 2012, dass bei teilunternehmerischer Verwendung sowohl für unternehmerische als auch nichtunternehmerische Zwecke nur im Umfang der beabsichtigten unternehmerischen Verwendung ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht. Daher müssen jPöR Eingangsleistungen in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Anteil aufteilen (sog. Aufteilungsgebot) und eine zweistufige Prüfung ihrer Leistungsbezüge vornehmen. Im ersten Schritt wird die Quote der unternehmerischen Nutzung ermittelt. Diese stellt die unternehmerischen Einnahmen den Gesamteinnahmen gegenüber. Beträgt die so ermittelte unternehmerische Mindestnutzung nicht mindestens 10 %, entfällt ein Vorsteuerabzug für einheitliche Gegenstände. Ist die 10 %-Grenze überschritten, wird ein quotaler Vorsteuerabzug auf alle Eingangsumsätze gewährt.
1. Stufe: Einnahmen unternehmerischer Bereich x 100 ⁄ Gesamteinnahmen
(Einnahmen sind als Nettobeträge ohne Umsatzsteuer zu verstehen;
Gesamteinnahmen = Einnahmen aus unternehmerischen + nichtunternehmerischen Bereich)
Beispiel 1:
Eine Kommune P erzielt in einem festgelegten Besteuerungszeitraum Gesamteinnahmen von 10 Mio. €. Davon entfallen 9,2 Mio. € auf nichtunternehmerische, d.h. hauptsächlich hoheitliche Tätigkeiten der Kommune, während lediglich 0,8 Mio. € der Einnahmen auf unternehmerische Betätigungen entfallen. Nach Anwendung des obigen Einnahmeschlüssels 1. Stufe entfallen damit lediglich 8 % der Einnahmen der Kommune auf Ihre unternehmerische Betätigung. Dies liegt unter der 10 %-Grenze des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG, die jedoch nur für einheitliche Gegenstände gilt. Dementsprechend gelten alle einheitlichen Gegenstände, bspw. Fahrzeuge oder Maschinen dieses Besteuerungszeitraumes, als nicht für das Unternehmen bezogen. Ein Vorsteuerabzug für einheitliche Gegenstände ist nicht möglich.
Im zweiten Schritt ist der unten aufgeführte Einnahmeschlüssel anzuwenden, um die anzusetzende Vorsteuerquote zu ermitteln. Dafür ist zuerst eine Aufteilung der unternehmerischen Einnahmen in „vorsteuerabzugs-
berechtigt“ und „nicht vorsteuerabzugsberechtigt (gem. § 15 Abs. 2 u. 3 UStG)“ vorzunehmen. Dann werden die unternehmerischen Einnahmen mit Vorsteuerabzugsberechtigung ins Verhältnis zu den Gesamteinnahmen der jPöR gesetzt. Der so ermittelte Wert gibt den Prozentsatz an, in dessen Höhe ein Vorsteuerabzug möglich ist. Dafür muss die Quote der unternehmerischen Mindestnutzung jedoch mind. 10 % betragen. Ist der im ersten Schritt ermittelte Prozentsatz geringer, ist ein Vorsteuerabzug nur noch bei nichteinheitlichen, unternehmerisch genutzten Gegenständen oder sonstigen Leistungen möglich.
2. Stufe: Einnahmen,die zum Vorsteuerabzug berechtigen ⁄ Gesamteinnahmen
(Einnahmen sind als Nettobeträge ohne Umsatzsteuer zu verstehen;
Einnahmen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen = Einnahmen, die nicht nach § 15 Abs. 2 u. 3 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind)
Beispiel 2:
Dieselbe Kommune P wie in Beispiel 1 erzielt Gesamteinnahmen von 10 Mio. €. Davon entfallen 9,2 Mio. € auf nichtunternehmerische, bzw. hoheitliche Tätigkeiten der Kommune, während lediglich 0,8 Mio. € auf die unternehmerische Betätigung entfallen. Nach Anwendung des Einnahmeschlüssels 1. Stufe ist ein Vorsteuerabzug für einheitliche Gegenstände ausgeschlossen. Im zweiten Schritt erfolgt eine Aufteilung der Einnahmen in „Unternehmerisch, mit Vorsteuerabzug“ und „Unternehmerisch, ohne Vorsteuerabzug“. Dabei ergibt sich für die Kommune folgende Verteilung: Unternehmerisch mit Vorsteuerabzug: 0,5 Mio. €; unternehmerisch ohne Vorsteuerabzug: 0,3 Mio. €. Wendet man nun den Einnahmeschlüssel 2. Stufe an, ergibt sich daraus ein Wert von 5 %. In Höhe dieser 5 % ist nun ein Vorsteuerabzug für alle nichteinheitlichen, teilunternehmerisch verwendeten sonstigen Leistungen (z.B. Dienstleistungen) oder Verbrauchsmaterialien (z.B. zentral beschaffte Schreibutensilien) möglich.
Vereinfachungsregelung
Darüber hinaus enthält das BMF-Schreiben eine Vereinfachungsregelung für den Vorsteuerabzug von jPöR mit einem geringen unternehmerischen Bereich. Analog zu den vorherigen Ausführungen ist auch in diesen Fällen eine Vorsteueraufteilung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung häufig nicht möglich. Daher kann eine jPöR, deren steuerpflichtiger Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 45.000 € betragen hat, einen pauschalen Vorsteuersatz anwenden. Dieser setzt die übrigen Ausgaben einer jPöR ins Verhältnis zu den Gesamtausgaben und bestimmt so den Prozentsatz, in dessen Höhe ein Vorsteuerabzug möglich ist. Die übrigen Ausgaben sind dabei als die Gesamtausgaben abzüglich der Ausgaben für Personal definiert. Außerdem werden die übrigen Ausgaben um einen Unsicherheitsabschlag in Höhe von 20 % verringert.Pauschaler Vorsteuersatz: (übrige Ausgaben x 0,8) x 100 x 19/ 119 ⁄ Gesamtausgaben
(Ausgaben sind als Nettobeträge ohne Umsatzsteuer zu verstehen;
übrige Ausgaben = Gesamtausgaben abzüglich Personalausgaben)
Beispiel 3:
Die Kommune Q hatte im Jahr 01 Gesamtausgaben in Höhe von 4 Mio. €, die sich aus Personalausgaben von 1,5 Mio. € und übrigen Ausgaben in Höhe von 2,5 Mio. € zusammensetzen. Im Jahr 02 erzielte die jPöR Ausgangsumsätze von 24.000 € aus verschiedenen steuerpflichtigen Tätigkeiten. Die Verhältnisse bei den Ausgaben haben sich zwischen den Jahren nur unwesentlich verändert. Wendet man nun den oben abgebildeten pauschalen Vorsteuerschlüssel an, ergibt sich daraus ein gerundetes Ergebnis von 7,98 %.
Da die Kommune steuerpflichtige Ausgangsumsätze in Höhe von 24.000 € hatte, ergibt sich nach Multiplikation mit dem pauschalen Vorsteuersatz ein Wert von 1.915,20 €. Die Kommune mit geringer wirtschaftlicher Betätigung kann demnach für das gesamte Jahr einen Vorsteuerabzug in ebendieser Höhe vornehmen.
Außerdem äußerte sich das BMF noch zu einigen Vorsteuerkonstellationen, die in der Vergangenheit für Unklarheiten gesorgt hatten. Dies betrifft den Vorsteuerabzug bei teilweise nicht wirtschaftlich genutzten Grund-stücken und für Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder. Weiterhin äußert sich das BMF zum Verfahren der Vorsteuerermittlung und zu (unterjährigen) Änderungen des Einnahmeschlüssels.
Anwendung
Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten erstmals für Besteuerungszeiträume unter Geltung von § 2b UStG, die nicht der Erklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG unterliegen. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wird geändert und um Verweise auf das aktuelle BMF-Schreiben ergänzt. Für die Frage ob es Vorteilhaft ist die Vereinfachungsregelung aus dem BMF-Schreiben anzuwenden kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Da der Steuerpflichtige an seine Entscheidung die Vorsteuerbeträge pauschal zu ermitteln für 5 Jahregebunden ist, sollte diese Entscheidung vorab mit dem Steuerberater abgestimmt werden.