Business as usual oder Anpassung des Geschäftsmodells?
Am 14. Dezember 2021 waren EUR 129,4 Mrd. Corona-Hilfen bewilligt bzw. ausbezahlt.[1] Würde dieser Betrag in 10 Euro-Scheinen ausgezahlt und diese aneinandergelegt werden, so könnte man damit eine Strecke von 1.643.380.000 km zurücklegen oder über 41.000-mal um den Äquator oder über 2.100 zum Mond hin und zurück – an sich bereits also eine bereits beeindruckende Summe. Zusätzlich zu den Corona-Hilfen federten weitere staatliche Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld, aber auch Stundungen und Zahlungsmoratorien, die Folgen der COVID-19-Pandemie ab. Diese Mittel und Maßnahmen waren maßgeblich darauf gerichtet, Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste zu vermeiden. Begleitet wurde dies durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG), mittels dessen zeitweise die Insolvenzantragspflichten ausgesetzt wurden und der Prognosezeitraum für die Überschuldung verkürzt wurde.
Als Konsequenz der staatlichen Stützung und zeitweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde im Jahr 2020 ein historischer Tiefstand von 15.865 Firmeninsolvenzen vermeldet. Dies ist gegenüber 2019 ein Rückgang von 3.140 (17%) Firmeninsolvenzen. Von Januar bis September 2021 haben die deutschen Amtsgerichte 10.682 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das waren 14,5% weniger als im entsprechenden Zeitraum 2020 und 25,7% weniger als 2019. Der rückläufige Trend der vergangenen Monate setzte sich somit auch nach Auslaufen vieler Sonderregelungen, wie der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen, bis September 2021 fort.[2] Im Oktober 2021 haben die deutschen Amtsgerichte 1.056 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das waren 2,7% weniger als im Oktober 2020. Im Vergleich zum Oktober 2019, also vor der Corona-Krise, war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Oktober 2021 um 33,7% niedriger.[3]
Am 3. Dezember 2021 informierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dass angesichts der aktuellen pandemischen Lage das KfW-Sonderprogramm bis 30. April 2022 verlängert und die Kredithöchstbeträge erneut angehoben wurden. Ebenso informierte das Bundeswirtschaftsministerium, dass Bundeshilfen (u. a. Überbrückungshilfe III Plus, Überbrückungshilfe IV) ebenfalls bis Ende März 2022 fortgeführt werden.
Laut DSGV Studie ist die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand nur geringfügig von 38,9% auf 38,7% in 2020 zurückgegangen. Für 2021 wird ein minimaler weiterer Rückgang auf 38,6% prognostiziert. Die Liquiditätsbestände der Unternehmen sind laut DSGV in 2020 und im ersten Halbjahr 2021 trotz der COVID-19-Pandemie gestiegen.[4]
Nun könnte man meinen, für Unternehmen bestünden keine Herausforderungen und sie könnten mit „business as usual“ weitermachen.
Frühzeitige Anpassung des Geschäftsmodells erhält Werte und sichert Handlungsspielraum
Unserer Auffassung nach bestehen allerdings erhebliche unternehmerische Herausforderungen, so dass ein „business as usual“ nicht der geeignete Weg sein dürfte. Nicht nur die anhaltende COVID-19-Pandemie (Stichwort „Omnikron-Welle“), sondern auch Risiken hinsichtlich gestörter Lieferketten, fehlender Vorprodukte und Materialknappheit, steigende Energie- und Rohstoffpreise und hohe Inflation, mangelnde Transportkapazitäten und Fachkräftemangel sowie (teils) durch COVID-19 beschleunigte Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit machen eine Anpassung des Geschäftsmodells notwendig. Das in einem volatilen globalen politischen Umfeld.
Dies betrifft nicht nur die Branchen wie das Hotel- und Gastgewerbe, den stationären Einzelhandel (ohne Lebensmittelhandel), Reise- und Touristikbranche, Fluglinien, Messebranche, sondern auch die sogenannten COVID-19-Gewinner, wie Online-Handel oder IT-Entwickler. Die Veränderung der wirtschaftlichen Kräfte wird auch nach dem Ende der COVID-19-Pandemie nicht anhalten und zu deutlichen Verschiebungen im Nachfrage- und Konsumentenverhalten führen und die technologische Entwicklung vorantreiben. Die COVID-19-Pandemie wirkt insofern als Beschleuniger eines sich bereits seit längerem abzeichnenden strukturellen Wandels in vielen Branchen. Dies setzt auch die Frage nach dem Geschäftsmodell auf die Agenda: Ist das aktuelle Geschäftsmodell resilient und zukunftstauglich? Oder bedarf es einer Anpassung oder gar Transformation des Geschäftsmodells?
Systematische Überprüfung des Geschäftsmodells
Erfolgreiche Geschäftsmodelle sind nichts statisches. Sie müssen sich im Spannungsfeld dynamischer Faktoren und hoher Veränderungsgeschwindigkeit bewähren. Innerhalb dieses Spannungsfelds ist es umso wichtiger, sich frühzeitig und systematisch mit Möglichkeiten zur Anpassung oder weitergehenden Transformation des Geschäftsmodells auseinanderzusetzen und die Einflussfaktoren im Blick zu halten. BDO hat hierzu das 7p-Modell entwickelt, das anhand der folgenden sieben Faktoren die Überlegungen zur Anpassung systematisiert. Es ermöglicht so Einsichten in Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den sieben Faktoren und schafft strukturiert Klarheit und Transparenz über die Anpassungen des Geschäftsmodells.
Wie das 7p-Modell systematisch zur Anpassung des Geschäftsmodells verwendet werden kann, soll im Folgenden kurz, exemplarisch und damit ohne Anspruch auf Vollständigkeit anhand des Megatrends „Digitalisierung“ dargestellt werden. Dieser führt z. B. zu geändertem Kundenverhalten. Aus Sicht des Unternehmens kann das zu Kundenabwanderung und rückläufigen Erlösen oder zusätzlichen Erlösen durch neue digitale Produkte und Dienstleistungen führen. Daneben kann es auch die Erhöhung des Absatzes durch digitale Marketing- und Vertriebsaktivitäten bedeuten. Was sich auf den Profit langfristig positiv auswirken sollte, wenn die Investitionen in die dafür notwendige Infrastruktur vorgenommen werden; ebenso wie eine damit idealerweise einhergehende Analyse des Absatzes nach Produkt-Markt-Kundensegmenten. Digitalisierung wirkt sich zudem neben der Erlösseite auch auf die Prozesse und die Produktivität durch Prozess- und Ressourceneffizienz aus. Eine Aufbauorganisation mit flachen Hierarchien und klarer Ergebnisverantwortung sowie eine Ablauforganisation mit konsequenter Vermeidung von Doppelarbeiten und Ressourcenverschwendung ermöglichen es, die Wertschöpfungskette so effektiv und effizient wie möglich auszurichten und so auch die Performance zu erhöhen. Dies erfordert allerdings häufig auch eine Veränderung der Unternehmenskultur und bei dem Personal und der Unternehmensführung ein entsprechendes digitales know-how. Mitarbeiter der Generation Y oder Z, deren Affinität zu digitalen Lösungen als besonders hoch gilt, legen aber – mehr als andere Generationen vor ihr – Wert auf flexibles und ortsunabhängiges Arbeiten (Place) sowie auf den Sinn der Tätigkeit (Purpose).[5]
Validierung des Geschäftsmodells und der Auswirkungen durch Szenario-Planungen
Auch sollten in diesem Zusammenhang mögliche Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie überprüft werden und das angepasste bzw. transformierte Geschäftsmodell in eine entsprechende Strategie überführt werden. Bei allen Entscheidungen zur Anpassung oder gar Transformation des Geschäftsmodells muss immer beachtet werden, dass diese einen Finanzierungsbedarf und auch (vorübergehend) drohende Deckungsbeitragsverluste auslösen können.
Um über die finanziellen Auswirkungen der Anpassung oder Transformation des Geschäftsmodells Transparenz zu erhalten, sollte eine integrierte Unternehmensplanung bestehend aus Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung erstellt werden. So kann auch ein etwaiger bestehender Finanzierungsbedarf ermittelt werden. Da unsere gegenwärtige und zukünftige (Wirtschafts-)Welt durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität gekennzeichnet ist, sollten alternative Szenario-Planungen mögliche Ausprägungen der finanziellen Auswirkungen verdeutlichen. Szenario-Planungen eignen sich zudem für die Überprüfung der Auswirkungen der Trends, die sich wahrscheinlich auf das Geschäftsmodell auswirken. Sollten die Szenario-Planungen Finanzierungs- oder weiteren Anpassungsbedarf verdeutlichen, so sind auf dieser Basis weitere geeignete Maßnahmen abzuleiten und zu ergreifen.
[1] BMWi - Coronahilfen: Bewilligungen und Auszahlungen in Milliarden Euro, Stand: [14.12.2021], abgerufen am 9. Januar 2022.
[2] Unternehmensinsolvenzen von Januar bis September 2021: -14,5 % zum Vorjahreszeitraum - Statistisches Bundesamt (destatis.de), abgerufen am 10. Januar 2022.
[3] Unternehmensinsolvenzen im Oktober 2021: -2,7% zum Vorjahresmonat - Statistisches Bundesamt (destatis.de), abgerufen am 11. Januar 2022.
[4] DSGV: Diagnose Mittelstand 2021, S. 9 und S. 16.
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