Bei der Überlassung arbeitgebereigener oder arbeitgeberseits geleaster Fahrräder bzw. verkehrsrechtlich als Fahrrad (keine Kennzeichen-, Versicherungs- oder Führerscheinpflicht) einzuordnender E-Bikes an Arbeitnehmer auch zur Privatnutzung sind für die lohn- und umsatzsteuerliche Würdigung eine Vielzahl von Fällen zu unterscheiden. Der koordinierte Ländererlass vom 09.01.2020 (BStBl. I 2020, 174) nimmt bereits seit längerer Zeit für lohnsteuerliche Zwecke eine Einordnung vor. Mit dem BMF-Schreiben vom 07.02.2022 werden nunmehr auch offene Fragen zur Umsatzsteuer geklärt. Wir stellen nachfolgend die wichtigsten Regelungen im Gesamtkontext vor:
Lohnsteuer
Wird das Fahrrad/E-Bike im Rahmen eines arbeitsvertraglichen Vergütungsbestandteils bzw. einer Gehaltsumwandlung überlassen, ist der geldwerte Vorteil wie folgt zu besteuern:
1 % der geviertelten (2020 bis 2030; 2019: halbierten) und dann auf volle EUR 100 abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads/E-Bikes inkl. Umsatzsteuer; ggf. abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Arbeitnehmers. Damit sind sämtliche (Privat-)Fahrten abgegolten (§ 8 Abs. 2 S. 10 EStG i.V.m. dem koordinierten Ländererlass vom 09.01.2020).
Erfolgt die Nutzungsüberlassung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (§ 8 Abs. 4 EStG), greift die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 37 EStG.
Aus Billigkeitsgründen rechnen zudem vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für das elektrische Aufladen von E-Bikes im Betrieb des Arbeitgebers nicht zum Arbeitslohn (BMF-Schreiben vom 29.09.2020, Rn. 10).
Umsatzsteuer
Die ertragsteuerlichen Begünstigungen für die Überlassung eines Fahrrads/E-Bikes gelten nicht für die Umsatzsteuer.
Vielmehr ist hier bei der Möglichkeit, das arbeitgeberseits zur Verfügung gestellte Fahrrad/E-Bike auch privat zu nutzen, ein entgeltlicher tauschähnlicher Umsatz (Arbeitsleistung gegen Fahrradgestellung) in Höhe der nicht durch den Barlohn abgegoltenen Arbeitsleistung zu besteuern (BMF-Schreiben vom 07.02.2022). Etwaige diesbezüglich geleistete Zuzahlungen des Arbeitnehmers mindern die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht.
Aus Vereinfachungsgründen kann die Ermittlung des monatlichen Durchschnittswerts nach der o.g. 1 %-Methode erfolgen; die Viertelung bzw. Halbierung der unverbindlichen Preisempfehlung gilt nicht (BMF-Schreiben vom 07.02.2022 mit Verweis auf Rn. 1 des koordinierten Ländererlasses vom 09.01.2020). Dieser Wert ist der Bruttowert, aus dem die Umsatzsteuer herauszurechnen ist. Beträgt der anzusetzende Wert des Fahrrads/E-Bikes weniger als EUR 500, ist keine Umsatzbesteuerung der Leistung an den Arbeitnehmer erforderlich (BMF-Schreiben vom 07.02.2022). Unklar ist, auf welchen Wert sich die Vereinfachung bezieht.
Dem Vernehmen nach soll sich das BMF zwischenzeitlich dahingehend positioniert haben, dass mit diesem Wert die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers gemeint ist; somit sollen nur preisgünstige Fahrräder/E-Bikes begünstigt werden. Die zumindest grammatikalisch mögliche Auslegung, den umsatzsteuerlich anzusetzenden Jahreswert heranzuziehen, sodass auch höherwertige Fahrräder/E-Bikes begünstigt würden, dürfte das BMF folglich nicht gemeint haben.
Der Nachweis der privaten Nutzung eines Fahrrads/E-Bikes durch Arbeitnehmer kann in Ermangelung eines Tachos, der die Gesamtnutzung aufzeichnet, nicht anhand eines Fahrtenbuches geführt werden.
Sonstiges
Abweichende Regelungen bestehen bspw. dann, wenn die Nutzungsüberlassung von Fahrrädern/E-Bikes an fremde Dritte zur Angebotspalette des Arbeitgebers gehört oder verkehrsrechtlich als Kfz einzuordnende E-Bikes zur Privatnutzung überlassen werden.
Ist das arbeitgeberseits geleaste und an den Arbeitnehmer überlassene Fahrrad/E-Bike aufgrund einer vom Arbeitsvertrag unabhängigen Sonderrechtsbeziehung dem Arbeitnehmer zuzurechnen ‑ z.B. weil er im Rahmen eines Unterleasingverhältnisses die wesentlichen Kosten und Risiken trägt ‑, liegt der damit verbundene geldwerte Vorteil i.d.R. in der Verschaffung bzw. Weitergabe verbilligter Leasingkonditionen. Lohnsteuerlich ist dieser dann nicht nach der o.g. 1 %-Methode, sondern mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen (§ 8 Abs. 2 S. 1 EStG). Umsatzsteuerlich dürfte es sich dabei um eine entgeltliche sonstige Leistung handeln; allerdings thematisiert das BMF-Schreiben vom 07.02.2022 solche Konstellationen nicht, sodass nach wie vor auf allgemeingültige Anwendungsvorschriften zurückgegriffen werden muss.
Hinweise:
Auf dem ersten Blick scheint das BMF um eine weitestgehende Harmonisierung zwischen Lohn- und Umsatzsteuer bemüht gewesen zu sein; dass dabei die wegen klimapolitischer Ziele vorgenommenen ertragsteuerlichen Förderungen nicht ins Umsatzsteuerrecht übernommen werden, war aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zu erwarten. Die nunmehr für umsatzsteuerliche Zwecke eingeräumte Freigrenze i.H.v. EUR 500 ist erfreulich. Wünschenswert wäre zudem eine umsatzsteuerliche Billigkeitsregelung für das elektrische Aufladen von E-Bikes im Betrieb des Arbeitgebers gewesen. Die Überlassung von Ladestrom unterliegt somit grundsätzlich weiterhin der Umsatzsteuer.
Die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 20.01.2021 (Az. C-288/19) werden im BMF-Schreiben vom 07.02.2022 noch nicht aufgegriffen; ggf. wird hierzu ein gesondertes BMF-Schreiben ergehen. Der EuGH geht - entgegen der bisherigen Auffassung des BFH und der deutschen Finanzverwaltung - davon aus, dass eine Kfz-Überlassung an Arbeitnehmer grundsätzlich unentgeltlich erfolgt; zu einer entgeltlichen Leistung kommt es nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich eine Gegenleistung aufwendet oder eine Zusatzvereinbarung zur Gehaltsumwandlung schließt. Das bloße Vorliegen eines ertragsteuerlichen Sachbezugs ist nach EuGH-Auffassung also nicht ausreichend für eine entgeltliche Leistung i.S.d. Umsatzsteuerrechts. Auch wenn sich das EuGH-Urteil auf die Kfz-Überlassung bezieht, dürften diese Grundsätze gleichermaßen auf eine entsprechende Überlassung von Fahrrädern und/oder E-Bikes übertragbar sein. Vor dem Hintergrund eines diesbezüglich noch anhängigen BFH-Verfahrens (Az. V R 25/21) sollten vergleichbare Fälle verfahrensrechtlich offengehalten werden.