Betriebsausgaben bei steuerfreien Photovoltaikanlagen

Betriebsausgaben bei steuerfreien Photovoltaikanlagen

Gemäß der mit dem Jahressteuergesetz 2022 eingeführten gesetzlichen Neuregelung in § 3 Nr. 72 EStG sind Einkünfte aus bestimmten Photovoltaikanlagen ab dem Veranlagungszeitraum 2022 steuerfrei. Die Steuerbefreiung gilt jedoch zum einen nur, soweit die maßgeblichen Leistungen der einzelnen betriebenen Photovoltaikanlagen (objektbezogene Höchstgrenze) die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe von 15 bzw. 30 Kilowattpeak (kWp) pro Wohn- bzw. Gewerbeeinheit einhalten (durch das Jahressteuergesetz 2024 soll die zulässige Größe auf 30 kWp vereinheitlicht werden). Zum anderen darf der jeweilige Steuerpflichtige oder die jeweilige Mitunternehmerschaft die 100,00 kWp-Grenze (subjektbezogene Freigrenze) für die auf, an oder in Gebäuden betriebenen begünstigten Photovoltaikanlagen in Summe nicht überschreiten.

Sofern die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlagen erfüllt sind, ist hierfür nach dem Gesetzeswortlaut kein Gewinn zu ermitteln. Ferner dürfen Ausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden (§ 3c Abs. 1 EStG). Dies gilt grundsätzlich auch für den Betrieb von steuerlich begünstigten Photovoltaikanlagen. Diesbezüglich klärte das FG Nürnberg in seinem Urteil vom 19.09.2024 (Az. 4 K 1440/23) die Frage, ob ab Anwendung der steuerbefreienden Regelung im Jahr 2022 Betriebsausgaben nachträglich berücksichtigt werden können, deren wirtschaftliche Veranlassung im Jahr 2021 oder früher liegt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt betrieb der Steuerpflichtige eine einzige Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,7 kWp, die somit im Veranlagungszeitraum 2022 die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllte. Gemäß der für das Jahr 2021 eingereichten Umsatzsteuererklärung ergab sich für den Steuerpflichtigen eine Steuernachzahlung, die er im Mai 2022 geleistet hatte. Die gezahlte Umsatzsteuer erfasste er in der für das Jahr 2022 eingereichten Gewinnermittlung als Betriebsausgabe und machte damit in seiner Einkommensteuererklärung 2022 einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in gleicher Höhe geltend.

Diesen Ansatz lehnten das Finanzamt und im darauffolgenden Verfahren auch das FG Nürnberg ab. Aufgrund eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs der Umsatzsteuerzahlung mit steuerpflichtigen Einnahmen des Vorjahres kann ein Abzug zwar zutreffenderweise nicht durch § 3c EStG verwehrt werden, denn der wirtschaftliche Zusammenhang kann nach herrschender Meinung auch jahresübergreifend bestehen. Auf die Steuerfreiheit der weiteren Einnahmen kommt es hierbei nicht an. Dennoch begründet § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG bereits dem Wortlaut nach ein verbindliches Gewinnermittlungsverbot bei steuerfreien Einnahmen nach Satz 1; es handelt sich nicht um eine bloße Befreiung von der Gewinnermittlungspflicht, auf die der Steuerpflichtige gegebenenfalls verzichten kann.

Entgegen der Sichtweise des Steuerpflichtigen bewirkt diese verbindliche Regelung auch keinen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, wonach die Betriebsausgaben, die durch die Einnahmenerzielung veranlasst seien, grundsätzlich abziehbar sein müssen. Der Steuerpflichtige kann bspw. etwaige im Jahr 2022 bezogenen Einnahmen, die noch die Stromproduktion des Jahres 2021 betreffen, durch die Anwendung des Zuflussprinzips nunmehr steuerfrei vereinnahmen. Hätte der Steuerpflichtige im Streitfall eine vollständige Gewinnermittlung für das Jahr 2022 inklusive aller Einnahmen und Ausgaben nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung eingereicht, so wäre insgesamt ein Gewinn zu versteuern gewesen. Eine Ausweitung der Steuervergünstigung um nachlaufende Betriebsausgaben ist aus der Sicht des Finanzgerichts daher nicht geboten. Denn der Gesetzgeber hat sich zu einem klaren Schnitt entschieden und diesen mit den zulässigen Zielsetzungen der Förderung erneuerbarer Energien und des Abbaus bürokratischer Hemmnisse begründet.
 

Hinweis:

Auch wenn das FG Nürnberg den strittigen Betriebsausgabenabzug für die Umsatzsteuerzahlung 2021 im Jahr 2022 abgelehnt hat, hat es aber dennoch die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Zahl der betroffenen Steuerpflichtigen zugelassen; diese ist zwischenzeitlich beim BFH unter dem Az. III R 35/24 anhängig. In dieser Rechtsfrage sind gegenwärtig zudem weitere Verfahren vor den Finanzgerichten Münster und Niedersachsen anhängig.

Nach einem Beschluss des FG Münster vom 21.10.2024 (Az. 1 V 1757/24 E) ist die Rechtsauslegung des FG Nürnberg nicht zwingend. Denn die Regelung des § 3 Nr. 72 EStG betrifft nur die Einnahmenseite und enthält keine Aussage zum Betriebsausgabenabzug. Dieser ist im Verhältnis zu § 3c Abs. 1 EStG zu beurteilen, wonach Betriebsausgaben nur dann nicht abgezogen werden dürfen, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Gem. Äußerungen in der Literatur kommt der Vorschrift des § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG, dass ein Gewinn nicht zu ermitteln ist, keine materiell-rechtliche Bedeutung zu, sodass ein Betriebsausgabenausgabenabzugsverbot nicht unbedingt ausgelöst würde.

Bei Nichtberücksichtigung der nachlaufenden Betriebsausgaben durch das Finanzamt sind die Fälle durch einen Einspruch verfahrensrechtlich offen zu halten. Ferner sollte ein Ruhen des Verfahrens beantragt werden, bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.