Welche Expertise und Unterstützung kann Ihnen BDO jetzt anbieten? Hier ein Überblick über steuerliche und rechtliche Aspekte, der in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird, weil beinahe täglich neue Sanktionen und Gegensanktionen verhängt werden.
Drohende Rationierung von Gas
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 30. März 2022 die Frühwarnstufe als erste Krisenstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Die Frühwarnstufe ist die erste von drei Eskalationsstufen einer Versorgungskrise. Sollte die Gefährdung der Gasversorgungssicherheit zunehmen, wird eine Alarmstufe ausgerufen. Die letzte Stufe der Eskalation bildet die Notfallstufe, die die Bundesregierung per Rechtsverordnung feststellen würde.
Welche Auswirkungen hat dies für Gaslieferverträge von Industrie- und großen Gewerbekunden?
In der gegenwärtigen Situation, in der noch russische Gaslieferungen stattfinden und laut Bundeswirtschaftsministerium die Versorgungssicherheit gewährleistet ist, besteht grundsätzlich keine Handhabe zur Unterbrechung oder Reduzierung der Gasversorgung für Industrie- und Gewerbekunden. Das bedeutet auch, dass die Gaslieferanten grundsätzlich an ihre Verträge gebunden sind und folglich die Belieferung ihrer Kunden auch vertragsgemäß sicherzustellen haben. Dies kann sich bei einer Verschärfung der Gaskrise allerdings ändern.
Welche Schritte sollten Industrie- und großen Gewerbekunden unternehmen?
Versorgungsunterbrechungen in Folge eines Lieferstopps von russischem Gas können - auch kurzfristig - nicht mehr ausgeschlossen werden. Wir empfehlen vor diesem Hintergrund allen industriellen und gewerblichen Gaskunden, die nicht unter den gesetzlich definierten Bereich sog. geschützter Kunden nach § 53a EnWG fallen, gegenüber ihren Netzbetreibern und Lieferanten auch proaktiv tätig zu werden. Um die Chance einer möglichst unterbrechungsfreien Gasversorgung auch im Krisenfall zu realisieren, muss eine unternehmensspezifische Abnahme- und Produktionssituation (wie z.B. die Intensität der Folgen von Produktionsstopps für die Allgemeinheit, drohende Schäden an Produktionsanlagen) dargelegt werden, die einen nachrangige Listung in der Abschaltreihenfolge rechtfertigt.
Zur Verbesserung der Energiesicherheit ist eine Novellierung des Energiesicherheitsgesetzes u.a. mit folgenden Neuregelungen geplant: Betreiber kritischer Energieinfrastrukturen, wie z.B. Gasspeicher und Raffinerien, können unter eine Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn sie ihren Aufgaben nicht hinreichend nachkommen und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Darüber hinaus, kommt es zu einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland, soll für die Gasversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette ein gesetzliches Recht zur einseitigen Preisanpassung bestehen. Das bestehende Instrumentarium der staatlichen Krisenvorsorge und Krisenbewältigung (dazu bereits Gasversorgung bei akuter Gasknappheit) wird damit angepasst und ergänzt. Erfahren Sie mehr in unserem Beitrag „Gas-Krise - Novellierung des Energiesicherungsgesetzes“.
Ansprechpartner: Dr. Christian Hampel | BDO Legal | christian.hampel@bdolegal.de
Vertragsgestaltung/ -recht
Sanktionslistenprüfung
Schon bei Anbahnung von Vertragsbeziehungen sind die gesetzlichen Anforderungen im risikobasierten Know Your Customer (KYC) Prozess von Anfang bis Ende einzuhalten. Gerade bei komplexen Gruppen- und Konzernverflechtungen global agierender Unternehmen gestaltet sich dies nicht einfach. Gegebenenfalls sollten weiterführende Recherchen durchgeführt werden, um andere potenzielle Netzwerk-, Reputations- und Lieferkettenrisiken zu identifizieren.
Ansprechpartner: Bruno Mortier | BDO | bruno.mortier@bdo.de
Insight: Auswirkungen auf die Due Diligence und KYC Screening Praxis
Vertragsrecht
Die (angestrebten) Vertragsbeziehungen sind laufend mit den jeweils aktuellen Sanktionslisten abzugleichen. So können laufende Vertragsbeziehungen bereits unmittelbar von Sanktionen betroffen sein, daneben können Lieferketten aber auch mittelbar durch die Sanktionen beeinträchtigt sein, beispielsweise weil ein Warentransport über die Russische Föderation nicht mehr möglich ist oder andere herstellungs- oder lieferrelevante Störungen die Vertragserfüllung erschweren oder vereiteln. Schließlich können auch die Einschränkung des internationalen Zahlungsverkehrs Auswirkungen auf Vertragspflichten haben.
Sowohl bei Sanktionen als auch bei mittelbaren Störungen des Vertragsverhältnisses stellen sich für betroffene Unternehmer regelmäßig unter anderem folgende Fragen: Drohen Strafen, wenn ich den Vertrag erfülle? Muss ich mich auf eine Veränderung der Vertragskonditionen einlassen? Kann ich mich vom Vertrag lösen und schulde ich in diesem Fall ggf. Schadensersatz? Sind die Verträge gar unwirksam? Hier besteht im Einzelfall erheblicher Prüfungsbedarf.
In jedem Fall ist eine unverzügliche Reaktion geboten: Zunächst sollte genau geprüft werden, ob das Vertragsverhältnis tatsächlich unmittelbar von einschlägigen Sanktionen betroffen ist. Ist dies der Fall, stellt sich die weitere Frage, ob und wie sich das Unternehmen vom Vertrag lösen sollte. In der Regel wird der Umgang mit Sanktionen in den Vertragswerken nicht tiefergehend geregelt sein. Damit wäre man gegebenenfalls auf die Rechtsinstrumente der Höheren Gewalt bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, als auch der Unmöglichkeit der Leistungserbringung oder der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag verwiesen. Gleichzeitig werden sich betroffene Unternehmen um eine Minderung der drohenden Schäden zu bemühen haben, beispielsweise durch eine Anpassung der kritischen Lieferketten.
Auch bei indirekten Auswirkungen des aktuellen Konflikts auf das jeweilige Vertragsverhältnis sollten Vertragsanpassungs- und -beendigungsmöglichkeiten geprüft werden, ebenso wie bei der geplanten Aufgabe von Geschäftsbeziehungen aus Reputationsgründen.
Stets ist eine individuelle rechtliche Auseinandersetzung mit dem konkret zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (einschließlich des hierauf anzuwendenden Rechts) unabdingbar, um den rechtlich gebotenen Umgang mit einer sanktions- bzw. konfliktbedingten Leistungsstörung bzw. mit einer aus anderen Gründen angestrebten Beendigung der Geschäftsbeziehung zu ermitteln.
Ansprechpartner: Dr. Marcel Fricke | BDO Legal | marcel.fricke@bdolegal.de